Grün war die Hoffnung
Seit den Säbelzahntigern. Und den Wolfsrudeln. Weißt du noch, die Mammuts, Prem, was das immer für ein Nerv war mit denen? Premstar! Ich rede mit dir. Ich sagte, weißt du noch, die Mammuts, was wir da immer für einen Nerv hatten, die zu satteln?«
Ihre Stimme erklang hinter der Zeitschrift: »Ja, Norm . Echt nervig war das.«
»Also, die Sache mit diesen Bäumen ist eben, daß sie ihre Wurzeln nicht viel tiefer als sechzig Zentimeter ins Erdreich reinkriegen, und dann kommt ein Windstoß daher und schmeißt sie halb um. Ich glaube gar nicht mal, daß die irgendwie krank sind – überhaupt nicht. Die wachsen und gedeihen. Nur kriegen sie’s eben nie gerade hin. Jedenfalls nie so ganz richtig.«
Dauerfrost. Besoffene Wälder. Das war doch was, diese Sorte Erläuterung verlieh der Sache gleich etwas Konkretes, es ließ diese Gestrüpphügel und Sümpfe und Miniaturwäldchen richtig exotisch erscheinen, und sie waren auch exotisch, mußte sich Marco immer wieder sagen, denn das hier war Alaska. Er hatte nämlich schon seine Zweifel gehegt. Wo zum Beispiel waren denn die Gletscher, die Wasserfälle, die schneebedeckten Berggipfel, die unwegsamen Wälder? Hier jedenfalls nicht. Hier sah es eher aus wie in Ohio oder Michigan oder Wisconsin oder hundert anderen Plätzen. Er spähte am Himmel nach Adlern, suchte den Horizont nach Wölfen ab, aber da war nichts außer Gestrüpp und noch mehr Gestrüpp.
Norm brabbelte jetzt von irgend etwas anderem, sein Hirn rief die Erinnerungen Schicht für Schicht auf – er hatte beim erstenmal, als er hiergewesen war, hinter jedem Busch einen Wolf vermutet und Lachse in den Bäumen und Goldstaub im Kaffeesatz –, aber Marco hörte nicht mehr hin. Alle im Bus steckten einander seit einer Woche mit derselben Erkältung an, eine der Gefahren des Kommunelebens, besonders wenn man dermaßen zusammengepfercht war, und jetzt hatte er sie sich auch eingefangen. Er hatte Kopfschmerzen. Seine Nase lief. Und der Wein lastete schwer im Magen, das war ein Fehler gewesen, und er hatte es gewußt, noch bevor er die Feldflasche an Star und dann an Premstar gereicht hatte, die ein Spitzmundschlückchen daraus genommen und sie an Mendocino Bill weitergegeben hatte. Der Bus legte sich zur Seite, richtete sich wieder auf und kippte von neuem ein Stück, und Marco sah auf Stars Hand in seiner hinab, als wüßte er nicht genau, was das war. Im nächsten Moment schlurfte er den Gang entlang zum Klo.
Obwohl die Sonne noch hoch am Himmel stand und es nicht später als sieben sein konnte, schliefen die meisten im Bus. Reba hatte den Kopf nach hinten gelegt und schnarchte, Jiminy und Merry campierten unter einer der verblichenen Navajo-Decken aus dem hinteren Zimmer von Drop City. Mendocino Bill und Deuce spielten auf dem magnetischen Reisebrett Schach, die Hunde hatten sich unter den Sitzen eingerollt, und Che und Sunshine starrten mit glasigem Blick und rotzglänzenden Oberlippen nach vorn, als sähen sie einen Acht-Millimeter-Film mit Marco, dem plötzlich kotzübel war, als Hauptdarsteller. Wieder schwankte der Bus, Marco wurde gegen eine der Sitzlehnen geschleudert, dann hatte er es durch die Küche und in den hintersten Teil geschafft, wo er an der Tür des notdürftigen Aborts rüttelte. Der Geruch machte es nicht besser. Der gesamte Bus stank nach den ungewaschenen Leibern einer ganzen Sippe, die sich regelmäßig nur etwas nasses Seifenpulver in die Achselhöhlen tupfte und allenfalls in versifften Fernfahrerklos kurz die Haare befeuchtete, aber dieses Chemieklo war noch eine eigene Geschichte – hier drin rann aus jedem einzelnen, ob Bruder oder Schwester, die dünnflüssige Kacke der langen Reise hinaus. Marco zwang sich und drehte den Türknopf herum.
Er schwitzte, und auf der Stirn klebten ihm die Haare unter dem roten Tuch, das er seit der Abfahrt aus Kalifornien noch nicht mal aufgeknotet hatte. Es war eng und dunkel in dem Klo, das einzige Licht war ein peepshowartiges Flackern durch das Lüftungsgitter in der Tür. Er wollte sich übergeben, weil es ihm dann bessergehen würde – so war das jedenfalls in der Theorie –, also beugte er sich über den Klositz aus Edelstahl und schob sich zwei Finger in den Rachen. Er würgte, aber es kam nichts. In der Kloschüssel schwappte etwas, drehte sich und sonderte Gestank ab. Er stützte sich gegen die vibrierende Metallwand und wolltees gerade noch einmal probieren, als auf einmal der Boden unter ihm verschwand und sich dann schlagartig
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