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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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wunderschönes Lächeln, daß sie eine Renaissance-Madonna hätte sein können – vielleicht war sie aber auch einfach nur stoned.
    »Laß mich raten«, sagte er. »Keiner konnte es abwarten, stimmt’s?«
    Sie ließen sich neben ihm nieder, der vertraute Duft nach Marihuana wogte aus ihren Haaren und Kleidern zu ihm herüber. Wildblumen wurden zerdrückt und auseinandergeschoben – Lupinen, Eisenkraut und etwas, was aussah wie eine Mohnart –, dann knackten Jiminys Knie, als er sich niederließ und ein halbes Dutzend Räucherstäbchen in die körnige Erde zu ihren Füßen steckte. »Ganz genau«, sagte er und beugte sich vor, um eines nach dem anderen mit dem Feuerzeug zu entzünden, »und jetzt, mein Bester, werden wir mal diesen heiligen Schrein, der dich hier umgibt, moskitosicher machen. Fort mit euch, lästige Insekten. Und ihr übrigen, seid fröhlich und guter Laune!«
    »Ein paar von uns wollten schon zu Fuß weiter«, sagte Maya, »einfach um mal zu sehen, wie Boynton so ist – ich meine, wir sind ja praktisch gleich da. Aber Norm fand das weniger gut. Er hält das für eher uncool.«
    Ein paar Leute spielten auf der Straße Frisbee und riefen sich irgend etwas zu, während die Hunde im Gebüsch buddelten. Norm brabbelte und gestikulierte und zupfte sich am Bart, und Pan – sein Hinterkopf mit den dünnen Haarsträhnen war auf der Böschung gegenüber gerade noch zu sehen – hatte in die dunkle Wasserfläche des Flusses, der hier neben der Straße entlangglitt wie das Seidenfutter einer Jacke, seine Angel ausgeworfen. Es gab keinerlei Verkehr. Es hatte hier überhaupt noch nie Verkehr gegeben. Diesen Platten hätten sie ebensogut in der Serengeti oder den Steppen Kirgisiens haben können.
    »Ich würde das im Handumdrehen zu Fuß schaffen«, sagte Marco.
    »Ich auch«, pflichtete Jiminy etwas lahm bei. Von den Räucherstäbchen stiegen nun Qualmfahnen auf, und die klare, kühle Luft bekam einen Beigeschmack von verbrannter Pflanzenessenz.
    »Einfach, um es endlich zu sehen, weißt du, was ich meine?« Marco hakte nach – er tat das ganz unwillkürlich. »Ich hab mir das jetzt so lange vorgestellt, daß ich schon weiß, daß ich enttäuscht sein werde. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht bin ich dann angenehm überrascht. Kommt ja vor, oder? Bist du nicht auch hin und wieder angenehm überrascht, so ungefähr jedes hundertste Mal?«
    »Nichts ist so, wie man sich’s vorstellt«, sagte Star. »Der Verstand schafft sich seine eigene Wirklichkeit, und wie sollten die tatsächlichen Dinge da jemals heranreichen? Das ist doch so, als würde man einen Zeitungscartoon mit einem Spielfilm vergleichen.« Sie saß dicht neben ihm und hielt ihm auf der offenen Handfläche eine gesprenkelte Tablette hin, die ihn an die Pastillen zum Färben von Ostereiern erinnerte.
    »Oder ein Buch«, sagte Maya. »Ein Buch mit einem Spielfilm.«
    »Ich weiß nicht, wir sollten da besser auf Norm hören«, sagte Merry, lehnte sich auf die Ellenbogen zurück und streckte die Beine auf der Straße aus, als ließe sie sich in einen Liegestuhl sinken. Ihre Pupillen waren weit und schwarz wie die einer Katze. Sie trug einen Vaquerohut mit weicher Krempe und einen mexikanischen Umhang über der Bluejeans, und ihre Füße waren nackt und schmutzig und von Moskitos übersät. Marco sah, daß sie jeden Zehennagel in einer anderen Farbe lackiert hatte, und obwohl er gar nicht auf Pille war – jedenfalls noch nicht –, meinte er, so etwas Schönes noch nie gesehen zu haben, und warum malten sich nicht alle Frauen die Nägel so an? Warum eigentlich nicht auch alle Männer? »Hey, wir haben doch keinen Druck«, sagte sie. »Können wir nicht einfach das alles hier genießen – den Himmel, die Blumen, den Fluß? Ich meine, seht euch das doch an!«
    Marco nahm es als Aufforderung und blickte in den sonnengrellen Tunnel der Straße, und da standen der Studebaker und Harmonys VW-Käfer, auf dem Schotterstreifen geparkt, aber Dale Murray und sein Motorrad fehlten, und wo war der Kerl, wenn man ihn mal brauchte? Es wäre ein Kinderspiel, mit seiner Maschine nach Boynton rüber und zurück zu schroten, kurz mal den Fluß ansehen, mitten hineinfahren, einfach nur die Luft schnuppern, Halleluja und juhuh, Boynton oder gar nichts! Doch Dale Murray war umgekehrt, einen Tag nachdem sie die kanadische Grenze überquert hatten, um nachzusehen, was aus Lester und Franklin und Sky Dog geworden war, und bisher nicht wiederaufgetaucht. Marco war das im

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