Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
Insekten. Er trug ein altes Thermohemd mit abgerissenen Ärmeln, seine geflickten Jeans und Arbeitsstiefel, und das Hemd hatte er schon so oft durchgeschwitzt, daß es an eine Batikarbeit erinnerte, in acht zunehmend blasseren – und duftigeren – Gelbschattierungen. Die Haare hingen ihm in die Augen und ringelten sich in seinem Nacken und über die Ohren, es war fast lang genug für einen Hippie. Und sein Rasiermesser strapazierte er auch nicht übermäßig, wie man sah.
    Ronnie band das Boot fest und sprang ans Ufer, Verbie kletterte hinter ihm über das Dollbord und holte sich nasse Füße, und jetzt blickte die Frau auf und winkte. Sie trug schmutzige Jeans und ein Holzfällerhemd, das ihr drei Nummern zu groß war, das Haar hatte sie sich zum Pferdeschwanz gebunden, und ihre nackten Arme waren mit Schmiere oder vielleicht auch Schlamm bedeckt. Wenn Sess der Originaldropout war – Sess Harder, der Mann der Berge –, dann war sie immerhin schon auf dem besten Wege dorthin, von der Collegekönigin zur Pionierin und Ehegefährtin, die Fische ausnahm und schuppte und Gänse und Enten rupfte. War das Leben nicht wunderschön?
    Die Hunde belferten, rissen an ihren Ketten, reckten die Schnauzen gen Himmel. Hinten lag der Garten, rund tausend Quadratmeter Kürbisse, Erbsen und was nicht noch alles, Tomaten in einem Gewächshaus, das aus schlichter Plastikfolie über einem Weidenholzrahmen bestand, und rechts davon das Vorratslager, eine kleine Hütte auf Pfählen, knapp drei Meter über der Erde, zum Aufbewahren von Fleisch im Winter. Sess hatte zusammengedrückte Öldosen rund um die vier Pfosten genagelt, um Wiesel und diverse Nagetiere abzuhalten, die sich liebend gern dort hinaufgemogelt und zarte, gefrorene Stücke Elch, Ente oder Fisch abgeschleppt hätten, und da an der Seite lehnte eine primitive Leiter für Menschen. Dann waren da noch die Trockenraufen. Eine ganze Reihe davon stand am Flußufer mitten in der Sonne, und sie waren voll beladen mit aufgeschnittenen Lachsen, daß es aussah wie eine Mauer aus Fleisch – es war ja auch eine Mauer aus Fischfleisch –, und all das umsonst aus dem Fluß. Denn was fing man mit dem Sommer an? Man sammelte Proviant für den Winter. Man jagte, pflanzte, angelte und blieb nächtelang wach, wobei die Sonne nie unterging, mit einem Bier in der einen und einem Joint in der anderen Hand. Und das nannten sie hierzulande Arbeit.
    Ronnie stapfte durch das Gras und die rankenden Blumen, er grinste vor sich hin – Sess Harder war doch wirklich der Übertyp, der steckte alle in die Tasche. »Sess«, sagte er, »was tut sich so, Mann? Und Pamela? Hallo, wie geht’s dir?«
    »Nicht allzuviel«, mehr brachte Sess nicht zustande. Er arbeitete ohne Pause weiter, glättete den Stamm, blies die Späne weg, legte sogar den Kopf dicht an die gehobelte Fläche, um sie der Länge nach zu begutachten. Die Hunde drehten noch ein wenig auf, als Verbie mit triefnassen Schuhen die Böschung hinaufstapfte, und Pamela, die ihr Ende des Baumstamms brav festhielt, warf ihr ein Lächeln voll ungetrübter Gastfreundschaft zu. »Wollt ihr zwei eine Tasse Tee?« rief sie. »Ich könnte uns einen Kessel heiß machen?«
    »Och, mach dir unsretwegen keine Mühe«, sagte Verbie und klopfte die Fersen ihrer Wanderstiefel gegeneinander, als könnten sie davon wieder trockener werden. »Wir wollten nur ...«
    »Klar doch«, sagte Ronnie. »Das fände ich super. Brauchst du Hilfe, Sess? Und übrigens, wir kommen eigentlich nur vorbei, um zu fragen, ob ihr vielleicht was aus der Stadt braucht, weil wir nämlich einen Haufen Sachen kaufen müssen, und da haben wir uns gefragt – ich meine, es wär kein Problem, überhaupt kein Problem ...«
    Sie tranken den Tee aus glänzenden neuen Keramiktassen, die aussahen wie frisch aus dem Karton ausgepackt, und das hier war auch kein Kräuter- Spülwasser , sondern der wahre Jakob, so stark, daß man ein Ziehen in den Kaumuskeln davon bekam, und sie setzten sich an den Picknicktisch im Garten und legten ein Päuschen ein, während Verbie Pamela vollquatschte und Pamela zurückquatschte und die Hunde an den Ketten sich allmählich wieder beruhigten. Pan fühlte sich unbeschwert und rein , er segelte geradezu auf den Schwingen dieses herrlichen Tages und genoß den Einblick in Sess Harders Privatleben. Er hatte tausend Fragen an ihn, aber Sess war heute nicht ganz so lebhaft wie beim letztenmal, als Pan ihn getroffen hatte (beim Wildblumen-Festival und Lachsbankett, das

Weitere Kostenlose Bücher