Grün war die Hoffnung
es gefallen war, lag da in einer acht Zentimeter tiefen Wasserlache. Ebensowenig dachte er an die Vierundvierziger, die er am rechten Schenkel trug, oder an das Bowiemesser am linken Bein. Die Riemen , das dachte er. Und in einer rasenden Fummelei aus reiner Panik knallte er sie in die Dollen und fing an zu rudern, wie er nur konnte. Was zugegebenermaßen nicht allzu großartig war, denn er hatte keine Riemen mehr in den Händen gehabt – hatte tatsächlich kein Boot mehr gerudert –, seit er zwölf oder dreizehn war. Die Riemen verfehlten das Wasser, spritzten nur auf der Oberfläche. Also zurück damit, aber wieder schlugen sie daneben. Dann aber tauchten sie ein und griffen endlich, das Boot schwang die Nase zurück in die Strömung, und der monumentale, zähnebewehrte Bärenkopf – der schon so nahe gewesen war, drei Meter, keine drei Meter mehr – fiel langsam zurück, Zentimeter für Zentimeter, Meter für Meter, bis Pan den keuchenden Atem des Tiers nicht mehr hören konnte, bis er nichts mehr hörte als das Quietschen der Dollen und das dumpfe, unheimliche Tosen des Flusses.
Boynton war nicht weiter beeindruckend – eine Ansammlung schmutzfarbener Hütten und Blockhäuser, die alle einen Anstrich brauchten, Sperrmüllhaufen, gerodete Stümpfe, verrostete Pickups, acht bis zehn Motorboote, die entweder auf den Kies hinaufgezogen waren oder im Wasser an ihren Vorleinen tanzten wie die bunten Bänder an einem Kinderfahrrad –, alles leicht zu überschauen, wenn da nicht der Bus gewesen wäre. Der Bus stand keine zwanzig Meter von der dunkel glitzernden Wasserfläche des Flusses entfernt, mittendrin im Unrat vor Sess Harders Baracke – seinem pied à terre , wie Skid Denton gern sagte. Pan betrachtete den Bus, als er das Boot um die letzte Biegung im Osten der Stadt lenkte – und jawohl, der Motor lief wieder problemlos, vielen Dank, nachdem er der Benzinleitung eine längere Fellatio verpaßt und so oft an der Starterleine gezerrt hatte, daß sich sein Arm anfühlte wie ausgekugelt –, aber der Bus war jetzt nicht mehr gelb, oder nicht mehr richtig gelb. Er sah, daß sich Lydia und die übrigen Nichtstuer mit Farbe und Pinsel darüber hergemacht hatten, eine Übung in Langeweile beim Basislager, in Freizeit und Spielerei – es war wie die große Pause , zum Teufel –, während die anderen Baumstämme geschleppt und das pappige Essen aus dem Fünfzig-Liter-Topf gemampft hatten. Aber was konnte er meckern? Das hier war Kunst , Frucht und Ausdrucksmittel der Zivilisation, und das schlichte, funktionale Schulbusgelb war nun fluoreszierendem Lila, Apfelbackenrot, Quietschgrün, Leuchtorange und einem zart geäderten Rosa gewichen. Freaks sollten auch richtig freakig sein, oder nicht?
»Wow!« sagte Verbie, und das war die erste Silbe, die ihr seit der Geschichte mit dem Grizzly über die Lippen kam. »Wow, ist das nicht stark?«
»Was?«
»Na, der Bus. Sie haben ihn mit lauter Gesichtern bemalt, mit ... wie nennt man das – Cartoons. Also Karikaturen, meine ich. Sieh mal, das da ist Norm, gleich bei der Tür. Und Reba. Und dahinten, gleich beim Auspuff, das bist du, Pan , mit einem Fisch in der Hand ...«
Er steuerte das Boot ans Ufer und hielt nach Gegenständen im Wasser Ausschau, aber als alles sicher war, als er die Schraube hochgeklappt hatte und sie nur noch dahinglitten, sah er genauer hin, und da war er tatsächlich, am Ende des Busses, mit einem Kopf wie eine Glühbirne, einem dürren, anämischen Körper und zwei Fischen – zwei Fischlein –, die er an einer Schnur in der Hand hielt.
»Pan«, sagte sie, »der große Jäger.«
»Verbie, die große Klappe«, sagte er.
Er kletterte aus dem Boot, und langsam hatte er echt genug von ihrem Gewäsch – sie wären um ein Haar umgekommen da draußen, war ihr das nicht klar? »Also, dich haben sie anscheinend gar nicht erst draufgemalt«, fügte er hinzu, nur um sie zu verletzen.
Ihr Gesicht spannte sich an wie eine Faust. Sie trat aus den zwanzig Zentimeter Wasser im Boot hinaus und war vom Donner gerührt, das sah er – man stelle sich vor: der Pantheon von Drop City ohne Verbie –, dann aber erholte sie sich und warf ihm einen Blick voll purem Haß zu. »Ich bin auf der anderen Seite drauf«, sagte sie, »willst du wetten? Oder hinten, sieh doch mal hinten nach.«
Er sah nirgends nach. Ihm war es wirklich piepegal, ob ihr Porträt innen und außen auf dem Bus prangte, ob man ihr zu Ehren eine Statue errichtet oder sie symbolisch
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