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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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schwang seine Halskette frei vor dem Hemd, fünf Grizzlyklauen an einem Band aus unbehandeltem Leder, jede einzelne so lang und dick und boshaft gekrümmt wie die Finger eines Mannes – eines großen Mannes. Ronnie war so versessen darauf gewesen, diese Kette zu besitzen, daß er den Indianer gefragt hatte, wieviel er dafür haben wollte, aber der Typ hatte ihm nur einen leeren Blick zugeworfen und sich dem nächsten Stoß zugewendet. Und da hatte er begriffen: so eine Kette kaufte man sich nicht – man ging dorthin, wo der Bär die Spielregeln bestimmte, man brachte ihn zur Strecke und nahm sich die Klauen.
    Er schaltete den Motor mit der Linken in den Leerlauf und schob die Ruderpinne herum, so daß das Boot einen Bogen beschrieb und auf den gewaltigen Kopf im Wasser und den verschwommenen Schatten des Körpers zukam, während er den Sicherungshebel des Jagdgewehrs zurückschob und versuchte, seine Hände nicht vor lauter Erregung zittern zu lassen, denn das hier war ja wohl der absolute Überhammer, und es passierte genau hier und jetzt – niemand würde das so recht fassen können, schon gar nicht sein lahmarschiger Vater mit seinen Hush-Puppies und den schlaffen Schultern, begraben in seinem Fernsehsessel, in der einen Hand sein Gin Tonic, in der anderen die Zigarette. Jetzt hatte er das Gewehr gehoben, das Boot schaukelte, der Bärenkopf war herumgefahren und musterte ihn, denn der Kopf hatte Augen, und in diesen Augen lag unsagbare Überraschung und vielleicht auch Entsetzen, denn was war wohl dieses Stück Schrott, das da auf ihn zutrieb, mit zwei Menschen darin, Menschen mit Gewehren ...
    »Ron nie !« rief Verbie. »Nicht, nicht, Ronnie – Pan, nein!« Und noch bevor er diese Störung registrierte, hatte sie sich auf dem Sitz herumgedreht und nach dem Gewehr gegriffen, womit er sein Ziel verlor, denn im entscheidenden Augenblick zuckte er, und dann schlug ihm der Kolben gegen die Schulter, als wäre die Kugel zum falschen Ende herausgekommen, gleichzeitig sah er, wie sich der Bärenkopf in einer rosafarbenen Schaumwolke abwandte. Er hatte ihn getroffen – oder nein, gestreift hatte er ihn, das Vieh hatte jetzt nur noch ein Ohr, und das war Blut, Grizzlybärenblut, das da in langen, rotgefärbten Fingern das Wasser durchzog.
    Verbie ging jetzt auf ihn los, ihre Fäuste hämmerten gegen seine Unterarme, und ihre immer noch nassen Wanderstiefel traten ihm gegen Knie, Oberschenkel und in die Eier, das Boot schwankte und krängte dabei, der Motor hing im Leerlauf wie in einem Wachtraum, als das Heck ein Stück nach rechts kippte und der erste Eimervoll Wasser hereinschwappte. »Du Arschloch! Du verdammtes Arschloch! Was glaubst du denn, was du hier machst? Hat dir dieses Tier irgendwas getan, hä? Was ist bloß los mit dir? Willst du den großen Mann spielen? Ständig mußt du hier den Übermacho markieren!«
    In diesem Moment starb der Motor ab. Zugleich bemerkte Pan, während er mit ihr um das Gewehr rangelte, daß der wuchtige Ottomanenkopf des Bären einen ordentlichen Satz Zähne hatte und daß das Vieh auch keineswegs mehr auf das Ufer zuhielt. Nein, der Grizzly kam jetzt auf sie zu , pflügte durch die Strömung wie ein Torpedo in einem dieser körnigen alten Seekriegsfilme, von denen sein Vater keine Wiederholung verpaßte. Pan warf einen Seitenblick auf Verbie und sah, daß auch sie ihre Position neu bewertete – Verbie , die Mutter der Kommune, die Buddhafrau. Die Braut mit der Kurzhaarfrisur, die nie im Unrecht war. Die sich überall auskannte. Die alles wußte und bereit war, es einem vierundzwanzig Stunden am Tag zu erzählen. Reden war ihr Ding, das war ihr Trip, so hatte sie sich ja auch den Spitznamen Verbie eingehandelt. Jetzt aber trat ein Blick auf ihr Gesicht, der in ihm ein Entsetzen auslöste, wie er es noch nie verspürt hatte, ein Blick, der besagte, daß sie sich verrechnet hatte, daß es ein Fehler gewesen war, sich einzumischen, daß sie ihr blödes Maul zur falschen Zeit aufgerissen hatte und nun mit ihrem Leben dafür bezahlen würde. Und mit seinem.
    Ronnie stieß sie weg, ganz fest. Der Bärenkopf teilte das Wasser und war keine zwanzig Meter mehr entfernt. Es war eine Krise. Die erste echte Krise seines Lebens. Nichts dergleichen war ihm je widerfahren, und sein Herz krampfte sich zusammen, während er an der Starterleine riß und hörte, wie der Motor spuckte und abstarb, spuckte und abstarb. An das Gewehr dachte er keine Sekunde lang. Es lag auf dem Boden des Bootes, wohin

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