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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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gesprochen hatte. Aber da gab es keine Widerrede. Ihre Schwester Angela blieb da. Angela würde sich den Bedürfnissen von Drop City widmen und Pfannen schrubben, Baumstämme entrinden und dreimal täglich gewaltige Töpfe voller Reispampe kochen, dabei hatte sie dieselbe Mutter wie Verbie – war das nicht Opfer genug?
    Es war neun Uhr, als Pan den Bug des Boots in die Strömung des Thirtymile schwang, das Knirschen des Sandes in den Ohren, die Sonne wie ein Schüreisen im Auge, erst in dem einen, dann in dem anderen – zuviel vom Libanesen, zuviel von Tom Krishnas toxischem selbstgebrautem Bier. Er fuhr flußabwärts, mit Verbie als Ballast, die auf der Mitte des Sitzbretts vor ihm kauerte. Leider war sie jedoch ein sprechender Ballast, und ehe sie auch nur bei Sess Harder vorbei waren, hatte sie bereits sechs bis acht Themen angeschnitten, wobei sie ohne jeden Übergang von den gesundheitlichen Vorteilen der Ginsengwurzel zu den Flächenbombardements auf dem Ho-Chi-Minh-Pfad kam, vom Quecksilber im Thunfisch geradewegs zur Not der Erntearbeiter, weil der Salatboykott einfach nicht weit genug ging. Ronnie starrte an ihrem Gesicht vorbei, an dem zu kleinen Auge, der Hakennase, der dunklen Lücke, wo ihr vorn ein Zahn fehlte. Sie redete über die Schulter und erinnerte dabei an einen Kakadu, der ohne sichtliche Anstrengung den Kopf zweimal herumdrehen konnte. Er hörte ihr nicht zu. Er konzentrierte sich auf die Umgebung, auf die herrliche Landschaft, auf die warme Sonne auf seinem Rücken und den kühlen Wind, der ihm ins Gesicht blies, dabei suchte er das Ufer nach etwas ab, was sich mit einer Kugel durchlöchern ließ. Das war schließlich sein Job, das tat er hier draußen, nicht viel anders als Sess Harder oder Joe Bosky oder irgendein anderer Nordlandtyp. Und wer war er? Er war Pan, der Pan des Nordens, und Nanuk den Eskimo konnte man getrost vergessen.
    Dank der Strömung dauerte es nicht länger als eine Viertelstunde bis zu Harders Haus am Zusammenfluß von Thirtymile und Yukon, und Ronnie entdeckte auch prompt Sess und seine Alte, die gemeinsam einen Baumstamm zurichteten, da sie offenbar ihr Blockhaus zum Fluß hin erweitern wollten. Er schwang die Pinne scharf nach rechts und lenkte so das Boot in Richtung des Ufers, weil er Sess kurz fragen wollte, ob sie irgendwas aus dem Ort brauchten, ein völlig normaler Akt der Höflichkeit hier draußen, so etwas hätte jeder getan, außerdem nutzte Ronnie sowieso praktisch jede mögliche Ausrede, um mit diesem Mann einfach nur zu reden , um vor ihm zu sitzen und ihn auszuquetschen, über Hechtfallen und Treibnetze und die beste Methode zum Räuchern und Pökeln einer Ente.
    »Was hast du denn jetzt vor?« Verbie lehnte sich in die Kurve, der Wind zauste ihr kurzes rotes Haar. Sie versuchte sich umzudrehen, um ihm Paroli zu bieten, aber sie hatte Angst, aus dem Boot zu kippen.
    Pan schnupperte in die Luft, genoß den Geruch des Flusses, den der Wind herantrug. Das Boot schoß dahin. Pan würdigte sie keiner Antwort.
    »Wir haben keine Zeit für so was, Pan. Ronnie . Komm schon. Du weißt genau, wie schwer es wird, diesem kleinen Scheißer von Ladenbesitzer was rauszuleiern, der wegen der Essensmarken letztesmal fast einen Anfall gekriegt hat, und dann müssen wir die Post holen und das alles und morgen abend zurück sein – und dabei können wir nur hoffen , daß Lydia und Harmony auch wirklich in Fairbanks waren, um das Fensterglas und die Batterien und was weiß ich noch alles zu holen.«
    »Hey, das hier ist Alaska , Verbs«, sagt er, während er den Motor abschaltete und das Boot mit dem Rest des Schwungs ans Ufer gleiten ließ. »Diese Leute sind unsere Nachbarn. Ich meine, ich will sie doch nur fragen, ob sie was brauchen – glaubst du nicht, daß sie dasselbe für uns machen würden?«
    »Nein«, sagte sie, »nein, das würden sie nicht. Nicht wenn ihre Mutter im Sterben läge und vierundzwanzig andere Menschen von ihnen abhingen und sie noch vor dem Winter drei Häuser und eine Versammlungshalle hochziehen müßten ...«
    Sie war echt eine Nervensäge. Eine geborene Nervensäge. Wie Alfredo. Wie Reba. Das waren eben die Freuden des Kommunelebens. »Fünf Minuten«, sagte Pan. »Ich schwör’s.«
    Sess hob kaum den Kopf, als das Boot bei ihm anlegte. Pamela und er hatten gerade einen Stamm aufgelegt, die Wand war bereits brusthoch, und er glättete jetzt das Holz mit einem Zugmesser, die flachen Späne flogen unter seinen Händen davon wie schwärmende

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