Grün war die Hoffnung
Grundrisse der Blockhäuser bereits vermessen und auf der Erde abgeschritten, hatten sich hingesetzt und die Aussicht auf den Fluß bewundert, die man von jedem einzelnen genießen würde, ein kleiner Halbkreis von schicken viereckigen Häusern aus entrindeten Stämmen, wie aus dem Bilderbuch, und sobald das Versammlungsgebäude fertig war, würden sie mit ihnen anfangen. Die große Frage war: Wie sollte der Platz aufgeteilt werden? Wer würde mit wem zusammen wohnen, und würde man mitten im Winter wechseln können, falls irgendwer total ausflippte? Sie dachte sich, daß Marco und sie sich wohl mit Merry und Jiminy zusammentun würden, vielleicht noch mit Maya und einem der Typen – Freaks – ohne Frau, aber zu viert wäre es netter, zu zweit sogar noch netter.
Sie streckte sich und achtete darauf, Marco nicht zu wecken. Er lag von ihr weggerollt, reglos wie eine Leiche in seinem zerschlissenen Schlafsack aus Armeebeständen, völlig geschafft von der pausenlosen Arbeit im Regen am Vortag. Er war am Abend so ausgepowert gewesen, daß er die Versammlung geschwänzt hatte, beim Essen danach hatte er kaum die Gabel zum Mund gebracht, und all die Witze und Sprüche und hanebüchenen Theorien, die das Abendessen immer so lebendig und unterhaltsam machten, gingen diesmal spurlos an ihm vorüber. Sie wollte nur kurz hinüber zum alten Blockhaus, um mal nachzusehen, was Dunphy und Erika zum Frühstück auftischten (heute waren die zwei dran, und sie konnte fast wetten, daß es Pfannkuchen werden würden, mit handgeschnittenen Speckscheiben für die Fleischfresser), und ihm einen Teller davon ins Zelt bringen, Frühstück im Bett und hallo, guten Morgen und wie geht’s dir heute, mein Geliebter?
Irgendwann in dieser Nacht dürfte sie sich das T-Shirt ausgezogen haben, in dem sie normalerweise schlief, obwohl sie sich nicht daran erinnerte, auch nicht daran, daß sie den Reißverschluß des Schlafsacks aufgezogen hatte. Ihr Verstand arbeitete noch sehr langsam, als wäre das Gehirn ein leerer Kessel und jeder Gedanke ein hauchfeines, widerwilliges Tröpfeln aus einem lecken Wasserhahn. Sie hatte am Abend einiges geraucht – Gras und dann noch ein paar Züge von dem Dope, das Alfredo nach der Versammlung in der Pfeife herumgehen ließ –, und wie sie jetzt so dalag und in die intensive blaue Wölbung des Zeltdachs hinaufstarrte, fühlte sie sich ausgelaugt und schwerfällig, als wäre über Nacht einer der Vampire, von denen der irre George immerzu quatschte, zu ihr hineingeschlüpft, um ihr das Blut auszusaugen und ihr statt dessen Sand in die Adern zu füllen.
Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis sie sich auch nur aufsetzen konnte – roch sie da Kaffeeduft, der vom Blockhaus heraufzog? –, aber dann wurde ihr klar, daß es keine Milch für diesen Kaffee geben würde, außer in Pulverform oder eventuell aus Dosen, mit dem Geschmack nach Blech irgendeiner Konzerntochterfabrik im verrotteten Epizentrum des militärisch-industriellen Komplexes, dem sie alle hier oben entfliehen wollten. Die Ziegen waren tot, das war die traurige Tatsache. Eben noch hatten sie Gras geweidet, mit grazilem Rucken ihrer Köpfe zarte Schößlinge von diesem oder jenem gerupft und schlitzäugig aus zutiefst in sich gekehrter Ziegentrance heraus in die Ferne gestarrt, und im nächsten Moment lagen sie ausgeweidet am Boden wie ein Paar blutige Socken. Und dann Frodo. Alle hatten diesen Hund geliebt. Man konnte ein Frisbee zwanzig, fünfzig Meter weit werfen, und er war jedesmal da, um es zu fangen, wie durch Zauberei, als könnte er fliegen – er hatte sogar das Grinsen gelernt, wie es manche Hunde tun, wirklich besondere Hunde: er legte den Kopf schief, zog die Lefzen hoch und fletschte die Zähne, um in einer echt schrägen Vierbeinerparodie die Lieblingsbegrüßung seiner Herrchenrasse zu imitieren. Frodo war auch tot. Und Ronnie – was war mit Ronnie passiert? Und mit Verbie?
Sie hatten am Vorabend beschlossen, daß einer von ihnen, falls die beiden nicht bis zum Mittag zurück wären, im Kanu flußabwärts fahren sollte, um nachzusehen, wo das Problem lag: ob es nur eine Verzögerung beim Fensterglas oder den Baustoffen war, weil vielleicht der Studebaker eine Panne hatte oder der Außenborder streikte, weil das Boot leckgeschlagen oder der Fluß zu unruhig war, irgendwas in der Art – oder ob ihr Ausbleiben eine düsterere Ursache hatte, worüber aber einstweilen niemand näher nachdenken wollte. Und wer würde fahren? Im Grunde
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