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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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der dramatischen Spannung, die noch immer in der Luft lag – eigenartigerweise hat LaJoys Ausbruch das Publikum nur aufgeschlossener und empfänglicher gemacht. Alles in allem hat sie den Abend ganz gut überstanden; sie hat, was noch wichtiger ist, ihr Anliegen dargelegt und die Menschen an ihren Überlegungen und Erkenntnissen teilhaben lassen, auf ruhige, vernünftige Weise, was die Anschuldigungen und Verzerrungen dieser PETA- und FPA-Leute wohl wirkungsvoller entkräftigt hat als alles andere. Ja. Sicher. Und warum steht sie dann hier, einen Plastikbecher mit abgestandenem, ungenießbarem Weißwein in der Hand, und setzt sich Blicken aus wie sie sonst für die kleine Turnerin reserviert sind, die bei den Olympischen Spielen vom Schwebebalken gefallen ist?
    Sie spricht mit einer knochigen Siebzigerin in einer rosaroten Bluse, so groß wie ein Footballtrikot, über die Möglichkeit, von Inseln stammende Pflanzen in Gärten auf dem Festland anzusiedeln, als unvermittelt Tim erscheint, ihren Ellbogen nimmt – »Entschuldigung«, sagt er zu der alten Dame, »es handelt sich um einen Notfall« – und sie zum Ausgang führt. »Ich habe gerade bei Hana Sushi angerufen, die Küche ist noch bis zehn geöffnet. Willst du nun diesen Sake – Sake on the rocks, forsch auf der Zunge, mit einer zarten Note von Hokkaidowald, unterlegt mit einer Andeutung von Vanille und Granatapfel – oder nicht?«
    »Aber ich muss mich noch von Frieda verabschieden.«
    »Mit deutlichen Anklängen von Ananas und … ich weiß nicht … nassem Hund?«
    »Aber Frieda –«
    »Ruf sie von unterwegs an.«
    »Das kann ich nicht«, sagt sie, aber da sind sie schon zur Tür hinaus und gehen durch die Nacht zum Parkplatz, der beinahe ganz leer ist. Aus tiefhängenden Wolken fällt neuerlicher Nieselregen. Sie denkt: Ich werde ihr eine Karte schicken . Sie denkt, dass es ihr für heute reicht, sie denkt an die in ruhiges, sanftes, vertrautes Licht getauchte Sushi-Bar, an leise Jazzmusik aus den Lautsprechern und an Shuhei und Hiro, die hinter der Theke stehen und lachen und tratschen und extra für sie etwas ganz Besonderes zaubern, sie denkt an Heilbutt und Albacore und Gelbflossen-Thunfisch aus den Tiefen des Ozeans und an Sake on the rocks in einem durchsichtigen, beschlagenen Glas.
    Es sind noch etwa fünfzehn Meter bis zum Wagen, dessen mottenfarbene Karosserie in der tiefen Dunkelheit bleich schimmert, als sie sieht, dass irgend etwas nicht stimmt. Obwohl sie die Brille trägt, wirkt alles verschwommen. Sie gehen jetzt schneller, auch Tim hat es gemerkt, aber selbst als sie direkt neben dem Wagen stehen, kann sie nicht erkennen, was das für Linien sind. Es scheint sich um irgendwelche schwarzen Bänder zu handeln. Sprühlack?
    Tim, eine schattenhafte Gestalt neben ihr, auch er nun Teil einer noch unklaren Komplikation, stößt mit vor Überraschung und Empörung bebender Stimme einen Fluch aus. »Scheiße! Scheiße! Die haben den Wagen vollgesprayt!«
    Als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben, nehmen große, verschlungene Buchstaben Gestalt an. Stirb , liest sie. Schlampe , liest sie. Und schließlich: Japsfotze .

DIE PALADIN

    Wenn es etwas gibt, was er hasst, dann ist es flüssiges Eigelb. Und Toast, so trocken, dass er wie ein Cracker zerbröselt, bevor man Butter darauf streichen kann. Und Regen. Regen hasst er ebenfalls. Seit drei Tagen regnet es nun schon, in den Straßen liegt Schmutz, die Kunden bleiben zu Hause (in allen vier Filialen armselige, absolut armselige Verkaufszahlen, und dabei ist es nicht mehr lange bis Weihnachten), die Leute sind mürrisch, die Tropfen rinnen wie Bilgewasser am großen Fenster des Cactus Café hinab, wo er an fünf Tagen die Woche frühstückt und sie noch immer nicht wissen, was beidseitig gebraten heißt. Der vertrocknete Toast ist kalt. Der Kaffee schmeckt nach Aluminiumfolie und ist ebenfalls kalt oder bestenfalls lauwarm. Und in der Zeitung steht bloß eine mickrige kleine Notiz über das, was gestern abend im Museum passiert ist, schön versteckt in der Rubrik »Lokales«, unter dem Datum Dienstag, 20. 11. 2001. Das Datum ist fetter gedruckt als die Überschrift, als wollte man darauf hinweisen, dass alles, was nun folgt, ebenso geisttötend und unwichtig ist wie vorgestern und vorvorgestern. »Protest bei Museumsvortrag«, und dann zwei kleine Absätze, die das Thema nicht mal ansatzweise erklären und, schlimmer noch, ihn oder die FPA nicht namentlich erwähnen, geschweige denn die

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