Grün war die Hoffnung
Meteorologen als »Wiege der Taifune« bezeichnet wurde), und alles, selbst der Plastikkanister mit Bleichmittel, den sie unter dem Waschbecken ihres bunkerartigen Ein-Zimmer-Apartments aufbewahrte, roch nach den schwärenden, sich explosionsartig vermehrenden Mikroorganismen der Tropen. Der Dschungel wucherte, doch viele im Krieg zerstörte einheimische Bäume waren durch aus Südamerika importierte Tangantangan ersetzt worden, und es war gespenstisch still, weil es keine Vögel gab. Deshalb hatten die Insekten überhandgenommen, mit dem Ergebnis, dass sich die Spinnen – handtellergroß, mit leuchtendgelben Streifen auf den glänzendschwarzen Körpern – rasant vermehrt hatten und ihre großen, zeltartigen, bebenden Netze im Unterholz ebenso wie zwischen den Ästen der Bäume spannten, weswegen man sich unmöglich durch den Dschungel bewegen konnte, ohne dass dieses Zeug an einem klebte wie eine zweite Haut. Ganz zu schweigen von der Spinne selbst, die vermutlich nicht gerade erbaut war, mitsamt ihrem Netz davongerissen zu werden und sich auf einem Ärmel, einem Kopf, einem Gesicht wiederzufinden.
Die Einheimischen – hauptsächlich Chamorros und Filipinos – hatten nie mehr als einen flüchtigen neugierigen Blick für sie übrig. Sie betrachteten sie als Asiatin oder irgendeine Variante davon und fanden sie trotz ihrer Big-Dog-Shorts und den T-Shirts mit Bildern von Micah Stroud und Carmela Sexton-Jones weniger exotisch als jemanden wie Robert Ford Smith und seine Frau Veronica, die beide aus Lancashire stammten und große englische Hakennasen sowie eine Haut so stumpf und bleich wie Kartoffelmehl besaßen. Sie fühlte sich zu Hause, nicht anders als in Hawaii und in Berkeley, und vielleicht wäre das anders gewesen, wenn sie ins blütenweiße Wisconsin gegangen wäre, um die Auswirkungen streunender Katzen auf die Waldvogelpopulation zu untersuchen, oder nach Salt Lake City, um die Schwarzhalstaucher auf dem Großen Salzsee zu studieren, aber das hatte sie eben nicht getan.
Robert – nicht Bob oder Rob oder Robbie, sondern einfach Robert – war Mitte Fünfzig und arbeitete an der Bekämpfung der Braunen Nachtbaumnatter, seit Julie Savidge, die inzwischen anderswo arbeitete, das Ausmaß der Katastrophe enthüllt hatte. Er wurde im Rahmen des Programms zur Erforschung dieser Schlangenart vom amerikanischen Landwirtschaftsministerium bezahlt, und sein erstes Augenmerk galt der Entwicklung von Sperren, die den Schlangen den Zugang zu den Containern im Hafen und den Frachtmaschinen am Flughafen verwehren sollten, denn es bestand Grund zu der Sorge, einzelne Exemplare könnten als blinde Passagiere auf eine der benachbarten Inseln oder gar nach Hawaii gelangen. Das war der erste Schritt – die Verhinderung einer weiteren Ausbreitung –, doch der zweite und weit wichtigere war, ein biologisches Mittel zu finden, ein Bakterium, ein Virus oder einen Parasiten, mit dessen Hilfe sich die Zahl der Schlangen begrenzen ließ, so dass die in Gefangenschaft gezüchteten Vögel wieder ausgewildert werden konnten. Zu diesem Zweck fing er Nachtbaumnattern und experimentierte mit ihnen. Und ihre Aufgabe war es, bei Tag und bei Nacht mit einer Stirnlampe und einem Stock für die Spinnweben nach den Fallen zu sehen und mit den gefangenen Schlangen – es waren stets viele – ins Labor zurückzukehren, damit sie sie sezieren und feststellen konnte, was sie gefressen hatten. Es war ein einsamer Job – »irgendwie gruselig«, fand Tim, der kein Schlangenfreund war –, aber sie war viel in der freien Natur, und darum ging es ja, wenn man im Bereich Naturschutz arbeitete.
Ein Jahr hatte dreihundertfünfundsechzig Tage, das war unbestreitbar, doch in den drei Jahren, die sie auf der Insel verbrachte, kam es ihr so vor, als wäre die Zeit elastisch geworden, als dehnte sie sich wie ein feinkalibriertes Bungeeseil, bis ein Tag ihr so lang erschien wie sonst zwei oder drei Tage. Sie lernte, ohne Zivilisation auszukommen – ohne amerikanische Zivilisation jedenfalls –, und obgleich sie einige Freundschaften schloss, an diversen Familienfesten und anderen Feiern teilnahm und Oktopus auf malaiische Art und in Kokosmilch gekochte Brotfrucht liebenlernte, lebte sie nicht wie die Einheimischen – etwas, was viele andere, die in der Forschungsstation arbeiteten, früher oder später taten. Sie verbrachte ihre Zeit vornehmlich allein und bewegte sich im Dschungel, als wäre sie ein Urwaldtier: klein, mit gesundem Haarwuchs, wachen
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