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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Toni Walsh zur Leiter.
    Sie hat eine kurze Unterredung mit Wade, und dann werden die Kühlboxen ausgeladen und auf ihren Kunststoffkufen donnernd über die sonnengebleichten Planken des Stegs geschoben. Alle Einzelheiten sind geklärt, das Picknick ist in Vorbereitung, und sie muss jetzt nur noch für Ablenkung sorgen, und zwar mit dem, wie sie hofft, Höhepunkt des Tages: dem Spaziergang. Während Wade und ein paar andere den Grill entzünden und im Garten des Besucherzentrums – von wo sich eine Aussicht über den Kanal bietet, die selbst den nüchternsten, zynischsten Bürohengst beeindruckt – Picknicktische aufstellen, gehen sie und Tim, wie verabredet, langsam den Hügel hinauf und führen den gemeinschaftlichen Spaziergang auf dem Rundweg an. Sie achtet darauf, langsam zu gehen, besonders auf den Stufen, wo sie immer wieder stehenbleibt, um auf diese oder jene Pflanze hinzuweisen und den weniger Durchtrainierten Gelegenheit zum Verschnaufen zu geben. Wenn sie erst einmal oben sind, verläuft der Weg ebener, und dann wird sie reichlich Gelegenheit haben, die Grundsätze und Methoden der Inselregeneration ins rechte Licht zu rücken, sie wird den Gästen die Nester von Westmöwen und anderen Vogelarten zeigen, deren Bestände sich erholen, und dabei dezent, aber dennoch deutlich darauf hinweisen, dass all dies nur durch das Rattenprojekt möglich geworden ist, das übrigens aufgrund eines Gerichtsbeschlusses von einem der größten Verschmutzer dieses Ökosystems – der Montrose Chemical Corporation, die von 1947 bis 1982 über hundert Tonnen DDT-verseuchten Abfall in die Santa Monica Bay geleitet hat – finanziert wurde und den Steuerzahler somit praktisch nichts gekostet hat.
    Detailversessen, wie sie ist, hat sie ihre Gäste in wiederholten E-Mails gebeten, ihre Kleidung so zu wählen, dass sie einem etwa vier Kilometer langen, nicht sonderlich anspruchsvollen Spaziergang bei wechselhaftem Wetter angemessen ist, und die meisten scheinen die Nachricht verstanden zu haben. Sie sieht Wanderschuhe und Windjacken, Tagesrucksäcke, Wasserflaschen und dergleichen, aber Toni Walsh, die in blutroten Espadrilles, einer kurzen Hose aus Krepp mit Tarnmuster und einem enganliegenden, ärmellosen Top das Schlusslicht bildet, hat bereits die Arme verschränkt und sieht aus, als brauchte sie dringend eine Zigarette. Nein, ruft Alma sich zur Ordnung, das ist gemein und voreingenommen – sie weiß ja nicht mal, ob die Frau überhaupt Raucherin ist. Aber alle Schriftsteller und Journalisten rauchen, oder? Und trinken. Und sitzen vor ihren Bildschirmen, bis ihre Arterien verstopft und die Muskeln atrophiert sind. Jetzt ist Tim gerade dabei, den um ihn gescharten Gästen das Brutverhalten der Möwen zu erklären, und erzählt, dass die Partner einander ihr Leben lang treu bleiben und ihr Nest Jahr für Jahr an derselben Stelle bauen, die sie so aggressiv verteidigen, dass sie sogar Küken aus benachbarten Nestern töten, wenn diese sich auf ihr Territorium verirren, und so winkt sie ihm nur kurz zu und geht zurück, um Toni Walsh die zusätzliche Windjacke anzubieten, die sie eigens für einen Fall wie diesen mitgenommen hat.
    Der Weg ist zentimeterhoch mit grobkörnigem Staub bedeckt. Die Sonne hat den Nebel aufgelöst, doch es weht ein Nordwind, der die gefühlte Temperatur auf zehn bis zwölf Grad senkt, und als sie sich an den Leuten vorbeischiebt (»Was ist los, Alma?« fragt der Bürgermeister mit rotem Mondgesicht, hervorstehenden Augen und hechelndem Mund. »Geben Sie etwa schon auf?«) und den sanften Abhang hinunter zu Toni Walsh geht, die mühsam einen Fuß vor den anderen setzt, zieht sie schon die Windjacke aus dem Tagesrucksack. Obwohl ihre Absicht klar auf der Hand liegt, blickt die Reporterin – Wie alt mag sie sein? Vierzig? Fünfundvierzig? – sie nur verständnislos an. »Alles okay?« fragt Alma.
    »Ich?« Toni Walsh hat kein Make-up aufgetragen, nicht einmal Lippenstift. Ihre Schuhe sind staubbedeckt. Das in einem unnatürlichen Rotton gefärbte Haar hängt schlaff auf ihre Schultern, brüchig und trocken wie das Gras zu ihren Füßen. »Ja, mir geht’s prima. Ich bin’s nur nicht gewöhnt, mit einem Boot zu fahren. Nicht morgens jedenfalls.«
    »Sie sehen aus, als wäre Ihnen kalt.« Alma hält ihr die Windjacke hin. »Die können Sie haben, wenn Sie wollen. Sie ist überzählig, also … «
    Etwas im Gesicht der Frau warnt sie, und es ist ihr mit einemmal peinlich, als hätte sie irgendwie und

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