Grün war die Hoffnung
würde er sich nicht mit Weinen auskennen –, und ist sie nicht überhaupt durch einen Eid verpflichtet, die natürlichen Ressourcen des Nationalparks zu schützen und zu bewahren, anstatt wahllos Tiere zu töten? Herrgott. Und sie sieht asiatisch aus, eindeutig asiatisch: ihr Haar, ihre Kinnlinie und ihre Haltung – als wäre sie eine kleine Geisha, als würde die bloße Berührung der Lehne sie zum Krüppel machen …
Doch jetzt ruft der Gerichtsdiener seinen Namen, und Sterling springt auf. Er spürt die Muskeln in den Beinen arbeiten, als er sich erhebt, er wirft sich in die Brust und tritt vor den Richtertisch, während die Reporter – wie heißt noch die Frau vom Press Citizen ? Toni? – ihre Stifte und Notizblöcke zücken und die Notebooks aufklappen. Es ist still im Saal. Durch die hohen Fenster fällt Sonnenlicht. Vorn fern hört man Straßenlärm.
Der Richter – noch so ein Wichser, mit dem er gern mal fünf Minuten allein wäre – blinzelt ihn über die Brille hinweg an. Er macht irgendwas mit den Lippen, bevor er beginnt zu sprechen, ein Lecken oder Schmatzen, und dann sieht er auf das Papier, das vor ihm liegt, und liest vor: »Obgleich der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Vergehen mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich begangen hat, haben die zugelassenen und vorgelegten Aussagen und Beweismittel die verbleibenden Zweifel nicht ausräumen können. Da das Rattenbekämpfungsprojekt des National Park Service letztlich erfolgreich war, ist der Gegenstand des Verfahrens ohnehin hypothetisch geworden.«
Was ist das? Er merkt, dass die Stimmung sich verändert, dass der Saal wie mit einem kollektiven langen Ausatmen zum Leben erwacht. Er wendet den Kopf zu Sterling, der den Richter starr ansieht und sich bemüht, ein nüchternes Gesicht zu machen, obwohl das aufkommende Triumphgefühl bereits die Krähenfüße rechts und links der Augen vertieft und an den Mundwinkeln zupft. Alle sehen ihn an. Alle können ihn sehen. Sein T-Shirt. Seine Botschaft. Seine Absicht. Er spürt ein heißes Aufwallen von Freude, so intensiv wie ein Orgasmus: Freispruch!
»Daher«, verkündet der Richter im ständigen Kampf mit seinem Akzent, und er könnte jetzt hingehen und ihn küssen, »erkläre ich den Angeklagten für nicht schuldig.«
Später, als er, die Finger seiner rechten Hand mit denen von Anise verschränkt, mit Toni Walsh und der Frau vom örtlichen Fernsehsender im Korridor steht und die Kamera auf ihn gerichtet ist, hält er die kleine Rede, die er schon die ganze Woche im Kopf einstudiert hat. »Es ist doch ein Skandal, dass unsere eigene Bundesregierung das Füttern von wilden Tieren als Verbrechen bezeichnet, während sie es für in Ordnung und legitim hält, wahllos Gift über ihnen abzuwerfen.« Und was noch schöner ist: Er erhebt die Stimme und spricht so laut, dass man ihn bis zum Ende des gefliesten, schimmernden Korridors hören kann, und zwar genau in dem Augenblick, als Alma Boyd Takesue und Tim Sickafoose besiegt und niedergeschlagen aus dem Gerichtssaal schleichen, so dass es ihm vergönnt ist zu sehen, wie sie ihn anblickt und dann den Kopf abwendet, während er sich zu neuen rhetorischen Höhen aufschwingt: »Aber wenn diese Leute meinen, sie kommen damit durch, fünftausend wilde Schweine auf Santa Cruz abzuschlachten, sollten sie sich’s lieber noch mal überlegen.«
Er tritt einen halben Schritt zurück, lässt Anise los und hebt die Hand, zwei Finger zum Victory-Zeichen gespreizt. »Denn daraus wird nichts«, sagt er und schüttelt den Kopf, so dass die Dreads in Bewegung kommen und es aussieht, als würden sie sich aufstellen. »Nicht solange es die FPA gibt.«
Teil II
SANTA CRUZ
SCORPION RANCH
Rita war seit kurzem von einem Mann getrennt, der sie so oft verletzt hatte, dass sie sich gar nicht mehr erinnern konnte, wie und warum sie je den Entschluss gefasst hatte, mit ihm zusammenzusein, ihr Wagen war in der Werkstatt, mit einem systemischen Defekt, den sie nicht annähernd verstehen, geschweige denn bezahlen konnte, ihre Arbeit entsprach weder ihrer Ausbildung noch ihren Erwartungen, und sie hatte eine zehnjährige Tochter, die sie zu ernähren, zu kleiden und zu erziehen hatte. Es war Mai 1979, und all die guten Gefühle – die vibrations , der groove – jener hellleuchtenden Zeit, die ihr über sämtliche Fehlschläge und Enttäuschungen hinweggeholfen hatten, waren versiegt, versickert und verblasst, bis sie nur noch wütend war, wütend auf Toby, weil er sie
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