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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Hauptsache, es kommt ein Kaliber .223 zum Einsatz.«
    Ach ja. Allgemeines Gelächter, ein Gefühl von Gemeinschaft, von Kameraderie, und dann kommt das Essen, Teller um Teller voller Essen, und die Sonne lässt jeden einzelnen Mast im Hafen hervortreten und setzt die Wanten und Stage in Brand, während draußen, am Horizont, die Inseln schweben. Alles gut und schön. Aber Alma ist diejenige, die das, was LaJoy sich ausdenkt, am meisten zu spüren bekommt, sie ist diejenige, die sich bei öffentlichen Versammlungen hinstellen und so geduldig wie möglich die Gründe für das Töten erklären muss, sie ist diejenige, der ihr Name aus der Morgenzeitung entgegenspringt wie ein Schlag ins Gesicht, und es zehrt an ihr.
    Ein Ökosystem wiederherzustellen ist nie leicht – vielleicht ist es sogar unmöglich. Sie denkt an Guam, wo die Lage aussichtslos ist. Oder an Hawaii. An Florida. An Orte, wo so viele Spezies eingeführt worden sind, dass man kaum noch sagen kann, welche ursprünglich dort heimisch war und welche nicht. Gestern abend hat sie versucht, es ihrer Mutter zu erklären, denn die wollte es verstehen, wirklich, und Alma wollte, dass sie die Arbeit ihrer Tochter zu schätzen wusste oder wenigstens begriff, was sie durchmachte. Sie wartete auf eine kurze Unterbrechung – Ed stand auf, um nachzuschenken, der Eisbereiter klapperte gleichmütig, im Tonic Water zischte das freigesetzte Gas – und sagte: »Zum Beispiel Tim.«
    »Ja«, sagte ihre Mutter, »zum Beispiel Tim. Du meinst also, er wird nicht mal an deinem Geburtstag hier sein? Also, ich weiß ja nicht, was du so vorhast, aber ich werde dir gleich am Morgen einen Kuchen backen: Devil’s Cake mit Mokkaglasur. Und wie heißt noch mal das Eis, das du so gern magst? Vanilla Swiss Almond? Ed wird eine Packung davon besorgen. Oder vielleicht zwei. Was meinst du, Ed?«
    »Ich hab dir doch erzählt, Mom: Er muss die Steinadler fangen. Das muss sein, weil wir rausgefunden haben, dass die Steinadler die Füchse töten. Was die meisten nicht wissen, ist … «
    Und dann begann sie zu dozieren und erzählte eine Parabel über Ursache und Wirkung, die, wäre es darin nicht um eine Katastrophe gegangen, wie ein perverser kosmischer Witz gewirkt hätte. Das Ganze begann damit, dass Montrose Chemical während des Krieges DDT im Meer verklappt hatte, welches sich dann über die Nahrungskette in den heimischen Weißkopfseeadlern angereichert und verhindert hatte, dass die Schale ihrer Eier die nötige Stärke hatte. Die Eier zerbrachen, und die Zahl der Weißkopfseeadler, einer aggressiven, sich hauptsächlich von Fischen ernährenden Art, deren Angehörige ihr Territorium entschlossen verteidigen, ging zurück. Steinadler, die sich ausschließlich von Landtieren ernähren, kamen vom Festland herüber und kolonisierten die Inseln, angelockt von dem reichen Nahrungsangebot in Form von Wildschweinen, die auf diesen Inseln überhaupt nichts zu suchen hatten. Aber man weiß eben nie – und hier machte sie eine kleine Pause, um der Lektion den nötigen Nachdruck zu verleihen –, wie ein geschlossenes Ökosystem auf die Einführung neuer Elemente oder aber ihre Beseitigung reagiert. Die Schafe hatten die Landschaft überweidet und die invasiven Fenchelstauden kleingehalten, doch als man die Schafe entfernte, bildeten diese Stauden praktisch undurchdringliche und bis zu drei Meter hohe Dickichte, die den Schweinen ideale Deckung boten. »Und so«, sagte sie, während der zunächst noch wache Blick ihrer Mutter sich langsam trübte, »gab es keine Weißkopfseeadler, die die Steinadler vertrieben hätten, dafür aber brütende, hungrige Steinadler, die immer weniger Schweine erwischten. Und was, glaubst du, haben die also statt der Schweine gejagt?«
    Ed, der sich inzwischen auf das Sofa gesetzt hatte, wo er, bei abgestelltem Ton, zwei Baseballspiele zugleich zu verfolgen schien, sah auf und sagte: »Füchse. Süße kleine Zwergfüchse.«
    Erst als einer der Biologen feststellte, dass die Zahl der Füchse abnahm, begann man, die Tiere einzufangen und mit Halsbandsendern zu versehen. Mitte der achtziger Jahre war der Bestand robust und umfasste etwa dreißigtausend Exemplare. Ende der neunziger Jahre waren es nur noch ein Zehntel davon, und niemand konnte sagen, worauf dieser Rückgang zurückzuführen war.
    »Es bestand die Gefahr, dass die Füchse vor unseren Augen aussterben würden«, sagte sie. »Seht ihr?« Sie holte ihren Laptop, stellte ihn auf den Küchentisch, drehte ihn

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