Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
wenn man sicher ist, dass man die ganze Rotte erwischt. Wenn die Möglichkeit besteht, dass nur ein einziges Tier davonkommt, lässt man’s lieber bleiben. Denn die sind sehr schlau – man sagt, sie sind schlauer als Hunde, so schlau wie ein dreijähriges Kind, wobei meiner Meinung nach sogar der dämlichste Hund schlauer ist als ein Kind –, aber egal, jedenfalls warnen die dann die anderen Rotten, so dass die sich verstecken. Und das ist dann ein Alptraum.«
    Alma fängt einen Blick der Kellnerin vom anderen Ende des Raums auf. Sie möchte diese Sache beschleunigen und die Rechnung bezahlen, doch die Frau missversteht ihren Wink und bringt statt dessen die Kaffeekanne. Frazier, der jetzt heftig gestikuliert, hält ihr seinen Becher zum Nachfüllen hin und zwinkert ihr zu, während er ausführt, dass die Hubschrauber zwar unerlässlich sind, die eigentliche Jagd aber jetzt, da die Hunde – seine eigenen, aus Neuseeland – endlich nicht mehr in Quarantäne sind, auf der Erde stattfindet. Freeman und Annabelle schieben ihre Becher vor, um nachschenken zu lassen, wogegen Alma die Hand über ihren hält und flüstert: »Die Rechnung, bitte.« Und dann erwähnt Frazier seine Judasschweine – eine Methode, deren Heimtücke sie jedesmal aufs neue fasziniert.
    Annabelle, die mit den Einzelheiten der Jagd bis zu diesem Zeitpunkt nicht so befasst war wie sie selbst, lächelt verwirrt und senkt die Stimme. »Judasschweine?« wiederholt sie. Ihr Blick sagt: Erzähl mir was Lustiges.
    Und Frazier hält inne, nimmt diesen Blick auf und lässt den seinen durch das Restaurant, über die sich entfernende Kellnerin und die Aussicht auf Hafen und Meer schweifen, bevor er sich wieder ihr zuwendet. »Ja«, sagt er, »bei einer solchen Operation ist das sehr effektiv. Verstehst du« – er beugt sich vor und sieht sie fest an –, »wir setzen ihren Sextrieb gegen sie ein, und wenn du jetzt denkst, das ist unfair, Schätzchen, dann hast du wahrscheinlich recht. Aber das hier ist kein Spiel. Es ist ein Krieg. Ein totaler Krieg. Winke, winke, kleine Schweinchen.«
    »Okay«, sagt Annabelle und lächelt, »darüber sind wir uns einig. Aber wie funktioniert das?«
    »Wir fangen so viele wie möglich und hoffen, dass ein paar rauschige Bachen dabei sind – in diesem Klima vermehren die sich das ganze Jahr über, also ist das nicht so schwierig, wie es sich anhört, besonders wenn man sie ein paar Tage lang mit einem Keiler zusammensperrt. Dann hängen wir ihnen Halsbandsender um und lassen sie laufen.« Er beugt sich so weit über den Tisch, dass er praktisch auf ihrem Schoß sitzt, und Alma, die sich steif aufgerichtet hat und gegen das Sodbrennen ankämpft, muss sich in Erinnerung rufen, dass es ihr eigentlich egal sein kann, wenn er ein bisschen weibliche Nähe sucht, wann immer sich die Gelegenheit dazu bietet. »Und du wärst überrascht«, sagt er, »oder vielleicht auch nicht, vielleicht kannst du dir ja denken, was dann passiert. Jedenfalls marschiert um jede dieser Bachen eine ganze Parade von Keilern auf, die an ihr herumschnüffeln und miteinander kämpfen – selbst der schlaueste alte narbenbedeckte paranoide Keiler kommt aus seinem Versteck, um mitzumachen –, und meistens ist der ganze Rest, die Jungschweine und die anderen Bachen, ob rauschig oder nicht, ebenfalls dabei, einfach nur um zuzusehen. Wie in einer Schweine-Disco.«
    »Und dann?«
    »Dann folgen wir dem Funksignal und kreisen sie ein.«
    Er trinkt einen Schluck Kaffee, während die anderen sich das Szenario ausmalen: borstige Haut, bewegliche Rüssel, animalischer Sex. »Und glaub mir«, sagt er, »da kommt kein Schwein lebend raus.«
    Danach, als sie die Rechnung mit ihrer Kreditkarte bezahlt und sich von allen verabschiedet hat, steht sie in der leeren Damentoilette, durch deren hohes Fenster aus Glasbausteinen das Zehn-Uhr-morgens-Licht fällt. Sie sollte arbeiten. Und das wird sie auch gleich, das verspricht sie sich: Sie wird den Wagen stehenlassen und zu Fuß gehen, damit sie ein bisschen von der Sonne abbekommt und sich an den Demonstranten vorbeistehlen kann, indem sie sich unter die Touristen mischt und durch den Seiteneingang ins Haus geht, bevor die sie bemerken. Aber im Augenblick muss sie ihren Kopf klar kriegen. Und atmen, so tief wie möglich. Der Schmerz in ihrem Bauch ist nicht verschwunden – er ist sogar schlimmer geworden, als hätte sie irgendeine Säure verschluckt, einen Abflussreiniger, Emma Bovarys Strychnin, Brodifacoum. Das Bild

Weitere Kostenlose Bücher