Grün war die Hoffnung
Walsh, die nur als Beobachterin dabei ist. »Steckt die so ein, dass ihr sie griffbereit habt. Und jetzt entspannt euch – die Überfahrt dauert zweieinhalb Stunden. Wenn es rauh wird, kotzt bitte nicht in die Kajüte, sondern über die Reling.«
Angesichts des Himmels und des wilden Schaukelns der vertäuten Boote liegt die Wahrscheinlichkeit, dass es rauh werden wird, natürlich bei etwa hundert Prozent – wie rauh, zeigt sich, als sie aus dem Schutz des Wellenbrechers herausfahren. Der Wind fegt aus Westen durch den Kanal, die Wellenkämme sind weiß, so weit das Auge reicht, und das Boot wälzt sich ziemlich aggressiv durch das ganze Spektrum seiner möglichen Bewegungen, von links nach rechts und wieder zurück, es durchschneidet die Wellenkämme mit schwerelosem Aufbäumen und hartem Stampfen. Wilson kümmert es nicht – er ist eingeschlafen, noch bevor sie den Hafen verlassen haben –, aber die anderen sehen ziemlich grün um die Nase aus. Und auch er muss dagegen ankämpfen, gegen das Gefühl, dass etwas Fremdes in seine Kehle hinaufkriecht, während sein Magen tiefer und tiefer sinkt, aber immerhin hat Regen eingesetzt, als die Insel endlich in Sicht kommt, und zwar kein leises Nieseln, sondern ein starker grauer heftiger Regen: Er fegt in bauschigen Schwaden über das Wasser, die wie mythische Wesen erscheinen, wie Götter und Engel und Teufel, und alles auslöschen. Gut. Schön. Will irgend jemand heute auf Schweinejagd gehen? Wohl eher nicht.
In der Kajüte rührt sich was, als er den Motor ausschaltet und den Anker fallen lässt. Sie sind in der Willows Bay, auf der Südseite der Insel, an einem Platz, den er wegen seiner Abgelegenheit ausgesucht hat und weil er ihn gut kennt. Hier hat er vor drei Monaten im hellen Tageslicht die beiden Waschbären freigelassen. Genau hier ist er mit der Paladin vor Anker gegangen und hat dann mit dem Schlauchboot übergesetzt. Beim Verladen erwachten die Tiere zum Leben und warfen sich in dem Käfig unter der Plane hin und her, und Gott sei Dank war wenig Seegang, sonst wären sie ertrunken. Sie wussten nicht, was mit ihnen geschah, sie begriffen nicht, dass sie über das Meer fuhren, ja sie hatten nicht einmal eine Vorstellung vom Meer, sie konnten nicht wissen, dass er ihnen nichts tun wollte und ein völlig unberührter Lebensraum sie erwartete, Mutter und Sohn, und vielleicht vermehrten sie sich, so dass, Inzucht oder nicht, eine ganz neue genetische Linie entstand, und vielleicht, dachte er, als er den Käfig an Land gebracht und hinter den Weiden versteckt hatte, die dieser Bucht ihren Namen gegeben hatten, vielleicht würde er ja noch mehr fangen. Ein großes Männchen, ein zweites Weibchen? Das würde Dr. Alma ziemlich verwirren, was? Eine ganz neue Tierart hier draußen auf der Insel – und warum auch nicht? Ihre kostbaren Füchse und Skunks und Eidechsen hatten es ja auch nur durch Zufall hierhergeschafft, waren bei einem Regenguss wie diesem aus einem der Canyons auf dem Festland herausgespült und mit irgendwelchem Treibgut angeschwemmt worden, und es war nichts weiter als eine Laune des Schicksals, dass keine Waschbären dabeigewesen waren.
Er zog die Plane beiseite und sah die beiden eng aneinandergedrückt kauern, die Augen auf ihn gerichtet und in Erwartung des Schlimmsten, und dann klappte er die Tür auf und zog sich zurück, versteckte sich hinter einem Busch. Er sah, wie sie die Nasen hoben, einen Moment reglos verharrten und mit einemmal losrannten. Zwei Fellknäuel, die so schnell und gründlich verschwanden, dass es war, als hätte es sie nie gegeben. Auch das war ein Zufall. Aber er, Dave LaJoy – Bürger, Hausbesitzer, Aktivist, vor Gericht besiegt und als Demonstrant ignoriert –, war das ausführende Organ dieser Freisetzung, und das war kein Zufall. Er war ein Lebenspender, ja, das war er, der Retter dieser Tiere, die zu töten der Animal-Control-Mann ihm nahegelegt hatte.
»Also, zwei Fahrten?« will Wilson wissen.
Alle sind jetzt an Deck, das Beiboot ist im Wasser und zerrt an der Leine, es regnet beständig. Aller Augen sind auf ihn gerichtet, denn er hat das Kommando, er ist der Kapitän, er hat die Karte, auf der (dank Alicia) die Zäune eingezeichnet sind, und er ist derjenige, der den Weg durch den Canyon kennt. Er verharrt kurz und sieht an ihnen vorbei zum Strand, zu diesem dunkel klaffenden Riss über der Gischt der Brandung, und alle wenden den Kopf und folgen seinem Blick. Es ist eine wilde Szenerie: der flache Bogen
Weitere Kostenlose Bücher