Grün war die Hoffnung
zufrieden mit sich aus. Toni Walsh nicht. Toni Walsh steht dort unten, bis zu den Waden im Wasser – in braunem, sich verzweigendem, rasch dahinfließendem Wasser –, und er besinnt sich, streckt die Hand hinunter und zieht sie hinauf wie ein Stück Gepäck, und genau das ist sie ja auch. Was auch der Grund ist, warum Anise sich geweigert hat mitzukommen, obwohl er sie bedrängt und ihr gedroht und auf jede erdenkliche Weise versucht hat, ihr Schuldgefühle zu machen.
In diesem Augenblick dämmert ihm, dass es hier vielleicht ein Problem geben könnte, eine Situation, die er nicht bedacht hat: Willows Creek, normalerweise ein murmelndes Bächlein, das man überspringen kann, ist kein Bach mehr, sondern ein Fluss. Er brodelt und zischt, er ist beladen mit allerlei Treibgut und mitgerissenen, polternden Steinen, er ergießt sich am Ende des Canyons in eine schlammige Fläche, aus der braune, gewundene Tentakel zum Meer führen. Der Plan ist, auf dem leicht ansteigenden Wanderweg über die sich zwischen Weiden und Schilf hindurchwindenden Sandbänke am Bach entlang in die Hügel zu gehen, wo sie irgendwann auf einen Zaun stoßen und so viele Drähte wie möglich durchschneiden werden, während Toni Walsh mit seiner Hilfe fotografische Beweismittel von dem Schlachten anfertigen wird: Kadaver, aufgeschichtet wie Laub, wie Knochen in einem Beinhaus – man braucht nur den Raben zu folgen. Das ist der Plan. Aber der Wanderweg ist verschwunden, und die Sandbänke sind ebenfalls nicht mehr da. Und das Schilf und die Weiden stehen bis zum Hals in brodelndem dunklem Wasser.
Macht nichts. Während Wilson das Schlauchboot an den Strand lenkt und die anderen an Land springen, improvisiert er – es ist zu spät, um umzukehren, denn nach Toni Walshs Anblick zu urteilen, wird sie sich nie wieder hier hinausschleppen lassen, und wenn sie nicht bald etwas unternehmen, werden die Schweine denselben Weg gegangen sein wie die Ratten auf Anacapa. Er dreht sich um und mustert die Hänge zu beiden Seiten des Canyons. Sie werden eben querfeldein gehen müssen, oberhalb des Flusses – unwegsames Gelände, aber machbar, kein Problem, überhaupt kein Problem, denn er will das jetzt durchziehen, und die anderen würden von der Klippe springen, wenn er es ihnen befehlen würde, und was Toni Walsh betrifft, so wird sie eben einfach in den sauren Apfel beißen müssen. Wenn sie ihre Story will. Und das will sie, das muss sie wollen, sonst wäre sie nicht hier. Als er sich wieder umdreht, liegt das Boot am Strand, und zwei Gestalten in Regenponchos – die Mädchen – rennen über den Strand, während Josh das Gleichgewicht verliert und von zwei Wellen überrollt wird, bevor er sich aufrappelt und ihnen folgt.
»Da kommen sie«, sagt Cammy und kann die Aufregung in ihrer Stimme kaum unterdrücken. »Und Josh« – sie stößt ein kleines gepresstes Lachen aus –, »sieh dir Josh an! Ach je!« Sie grinst, ist aufgekratzt wie ein kleines Mädchen. Was glauben sie eigentlich, was das hier ist? Eine Reality-Show? Ein Sommerlager? Behende wie ein Floh springt sie auf den Felsen vor ihm, in ihren Augen leuchtet die reine Freude. »Er wollte wohl lieber schwimmen, was? He, Josh«, ruft sie, »wie ist das Wasser?«
Er hat nicht vor, Erklärungen anzubieten oder zuzugeben, dass er die Wassermenge, die sich um diese Jahreszeit aus dem Canyon ergießt, unterschätzt hat, denn Erklärungen sind was für Versager, und jetzt kommt es nur darauf an, nach Plan vorzugehen. Als Kelly und Suzanne – beide klein, weich, birnenförmig und in ihren identischen olivgrünen Ponchos kaum voneinander zu unterscheiden – grinsend zu den Felsen waten, reicht er die Hand hinunter und zieht erst die eine und dann die andere hinauf. Und da kommt auch Josh, der bereits zittert, und die einzige Lösung für dieses Problem – abgesehen von einem Feuer, an dem er seine Sachen trocknen könnte, und das ist keine praktikable Lösung –, besteht in Bewegung, in anstrengender Bewegung den Canyon hinauf, zum Zaun, wo er mit der Drahtzange hantieren kann, bis ihm der Schweiß ausbricht.
»Na gut«, sagt er und dämpft verschwörerisch die Stimme, obwohl meilenweit niemand ist, der sie belauschen könnte, »der Regen bringt mehr Wasser als sonst in den Canyon, und darum wird der Aufstieg ein bisschen anstrengender, aber das macht nichts. Es wird nur etwas länger dauern, bis wir oben sind.« Er mustert seine nassen Stiefel, die Felsen, auf denen sie stehen, das Wasser, das sie
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