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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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scheint gern zu reisen, das muss man sagen. Jedenfalls hat sie noch keinen Piep gemacht.«
    »Warte, bis sie aufwacht und merkt, dass sie Hunger hat. Meine Mutter sagt, sie hat eine Lunge wie eine Opernsängerin.«
    »Jetzt mach sie doch nicht schlecht! Sie sieht aus, als könnte sie das erste Baby sein, das allein um die Welt segelt. Was meint ihr? Mit ab und zu einem kleinen Nickerchen am Steuer?«
    Beverly bewegt sich und schlägt die grünen Augen auf, denen das, was sie sehen, nicht besonders gefällt. Sie holt zwei-, dreimal Luft, und im nächsten Augenblick bricht die Wehklage los und schallt durch die Kajüte. Alle sehen sich um, manche sind irritiert, andere schwelgen gerührt in Erinnerungen, und dann wenden sie sich ab, Alma knöpft Bluse und Still-BH auf, das Baby saugt, die Milch fließt, und die Unterhaltung wird fortgesetzt.
    »Ich weiß nicht, wie’s euch geht«, sagt Frazier und sieht Annabelle an, »aber ich könnte jetzt ein Bier gebrauchen. Noch jemand? Alma?«
    »Sie stillt doch, du Blödmann.« Annabelle sieht ihn strafend an, mit finsteren Augenbrauen und in gespielter Empörung zusammengekniffenen Lippen.
    »Na und? Ein bisschen Bier in der Muttermilch macht die kleinen Racker nur robuster. Ich meine, seht mich an. Meine Mutter hat zeit ihres Lebens jeden Tag vier bis fünf Pints weggehauen – und glaubt bloß nicht, sie hätte damit aufgehört, bloß weil ihr ein Baby an der Brust gehangen hat.«
    Annabelle verpasst ihm einen leichten Schlag auf den muskulösen Arm. »Komm schon, Frazier, benimm dich zivilisiert. Tu wenigstens so, als wärst du Amerikaner.«
    »Du glaubst doch wohl nicht, dass ich das einer Antwort würdige, oder?« Er erhebt sich. »Bier – die Sprache, die jeder versteht.« Er steht leicht gebeugt da, und Annabelle rutscht zur Seite, um ihm Platz zu machen. »Annabelle?«
    »Ja, warum nicht? Schließlich haben wir ja was zu feiern.«
    »Alma? Bist du sicher?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Für mich keins, danke.«
    Sie sehen ihm nach, als er zwischen den Tischen hindurch zur Verkaufstheke geht, wo sich, wie Alma feststellt, schon eine Menge Leute eingefunden haben, die offenbar dieselbe Idee hatten: Jeder hat ein Bier in der Hand, und dabei ist es erst kurz nach zehn. »Das wird eine tolle Party«, sagt Alma.
    Annabelle nickt grinsend. »Und der da« – sie nickt in Fraziers Richtung – »wird dafür sorgen, dass sie erst aufhört, bis wir wieder in Ventura sind und sie uns vom Boot werfen.«
    Die Feier – die nicht verfrüht ist, keineswegs, denn es geschehen tatsächlich Wunder, und diese müssen gewürdigt werden – verdankt sich der Tatsache, dass seit dem Abschuss des letzten Schweines im vergangenen Frühjahr auf der ganzen Insel keine Spuren von Schweinen mehr gefunden worden sind. Sie hätten noch ein Jahr warten können, um die Peinlichkeit zu vermeiden, dass irgendeine Bache mit sechs Frischlingen gerade rechtzeitig für die Sechs-Uhr-Nachrichten auftaucht, aber Schweine richten regelrechte Verwüstungen an und wühlen große Flächen um, die man aus der Luft sehen kann, und so ist man zu neunundneunzig Prozent sicher, dass alle tot sind – aber natürlich wird man noch zwei Jahre lang die Zäune kontrollieren, bevor sie dann für immer entfernt werden. Außerdem werden Frazier und seine Männer in einem Jahr nicht mehr dasein – na ja, Frazier vielleicht doch, jedenfalls nach den Blicken zu urteilen, mit denen er Annabelle betrachtet, wenn er glaubt, dass niemand es sieht.
    Nein, sie ist sicher. Sie würde jede Wette eingehen, dass alle Schweine tot sind. Und dieser Tag – es ist Mitte September, die Sonne steht hoch am Himmel, auf dem Meer ist es dreiundzwanzig Grad warm und in Scorpion werden es wohl sechsundzwanzig sein – ist im PR-Himmel gemacht worden, für eine Gelegenheit wie diese, und weil Freeman Lorber sich in einem Konflikt befindet, wird sie mit Beverly auf dem Arm vor die Gäste und die Kameras von KNBC treten und Santa Cruz für frei von invasiven Spezies erklären.
    Bis auf ein unwillkommenes einzelnes Exemplar von Procyon lotor , das man vor dreieinhalb Monaten am Kompostcontainer der Hauptranch gesehen hat. Vielleicht waren es auch zwei Exemplare – die Erde war zu hart für Pfotenabdrücke –, aber auf jeden Fall war das Tier da. Sie selbst und Allison haben es gesehen, es war unverkennbar. Und das – das Auftauchen eines Waschbären in jener Abenddämmerung im Juni – ist entweder einer der größten Zufälle in der Geschichte

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