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Gründergeschichten

Titel: Gründergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campus
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Bankautomaten direkt gegenüber den Eingang der 300 000 Euro zu prüfen. Eineinhalb Wochen später, am Mittwoch,
     war das Geld endlich auf dem Konto. Juristisch sei die Stornierung nicht möglich gewesen, sagte man mir. Hätte mir Justitia
     diese Nachricht persönlich überbracht, ich hätte sie geküsst.
    Aus dieser Aufregung habe ich eine wichtige Lehre gezogen: Kannst du heute einen Auftrag besorgen, verschiebe die Fahrt zum
     Kunden nicht auf morgen. Egal, wie weit sie ist. Jeder Tag Verzögerung kann einer zu viel sein. Nach diesem Erfolg wollte
     mein Mitgründer doch weitermachen. »Das kannst Du vergessen«, habe ich ihm gesagt. Wir hatten grundsätzlich |95| andere Vorstellungen, wie Mitarbeiter zu führen und welche Risiken zu wagen seien. Er war immer der Bremser gewesen, hatte
     mich kritisiert, wenn ich Entschlüsse auch gegen den Willen einzelner Mitarbeiter durchsetzen wollte. Es ging einfach nicht
     mehr mit uns beiden. In den Folgemonaten versuchten wir, über seinen Rechtsanwalt eine Ablösesumme auszuhandeln, konnten uns
     aber nicht einigen. Nun übertrieb mein Ex-Partner den Wert der Firma, die er kurz zuvor noch zu jedem Preis hatte verkaufen
     wollen.
    In dieser Phase bin ich erst richtig zum Unternehmer geworden. Nicht dass ich meinen Partner menschlich nicht gemocht hätte.
     Darum ging es überhaupt nicht. Sondern um die Führung eines Unternehmens, von dem zwanzig Mitarbeiter abhängen. Da muss man
     manchmal Entscheidungen treffen, die knochenhart scheinen, aber die einzige Lösung sind. Wer sich vor dieser Entscheidung
     drückt, geht baden, und alle anderen mit ihm. Davon hat keiner was. Letztlich ist man in den schwierigen Phasen der böse Bube,
     und in den guten bekommt man kein Lob. Aber das braucht man auch gar nicht. Wenn das Unternehmen überlebt, ist das Lob genug.
    Der Rechtsstreit zog wichtige Energien von der Führung der Geschäfte ab. Die finanziellen Sorgen kehrten bald zurück. Zum
     Jahresende stand AeroLas wieder kurz vor der Zahlungsunfähigkeit, bis Neujahr hätten wir nicht überlebt. Ich hatte schon seit
     Wochen versucht, den Rest des Projekts an Land zu ziehen. Kurz vor Heiligabend rief ich den Einkaufsleiter erneut an.
    »Werden wir noch vor Weihnachten das Projekt durchkriegen?«, fragte ich ihn.
    «Herr Muth, alle Abteilungsleiter müssen unterschreiben, |96| das wird so knapp vor Heiligabend nichts mehr. Es tut mir leid«, antwortete er.
    Ich war völlig fertig, rief aber noch den kaufmännischen Geschäftsgebietsleiter an. Es war mittlerweile der vorletzte Arbeitstag
     vor Weihnachten, 18 Uhr, ein Wunder, dass überhaupt noch jemand abnahm. »Jetzt können nur noch Sie mir helfen«, sagte ich
     und versuchte, nicht allzu flehend zu klingen. Sein Gefühl sollte nicht von Hilfsbereitschaft in Mitleid kippen, sonst hätte
     ich verloren.
    Und dann antwortete er doch tatsächlich: »Herr Muth, ich habe Ihnen immer gesagt, dass Sie mich bei Schwierigkeiten anrufen
     sollen. Ich werde die Unterschriften besorgen. Morgen um neun Uhr faxe ich Ihnen die Bestellung durch.«
    Ich dachte, da muss doch über Nacht noch was schief gehen, wieder ein Herzinfarkt oder so. Am nächsten Morgen stand ich ab
     8.30 Uhr am Faxgerät, und es fing tatsächlich zu surren an, zwei Seiten lang, das weiß ich noch genau. Das muss man sich mal
     vorstellen: Ein Unternehmen steht vor dem Aus, und dann kommt eine Bestellung von fast 1,5 Millionen rein! Ein Jahr überleben
     können! Ich werde nie dieses Surren vergessen.
    Ich fühlte mich ausgepumpt. Zuerst diese Sorge wegen des Auftrags, dann der Dusel, einen Entscheider an den Apparat zu kriegen,
     der an einen glaubt, und parallel dazu das sich hinziehende Zerwürfnis mit dem Freund und Geschäftspartner. Konnte ich mich
     freuen? Das wäre nicht das richtige Wort. Man hat eine Hürde genommen, die man nehmen musste, und danach geht’s weiter.
    Mein Ex-Partner und ich einigten uns schließlich auf eine Summe, zu der ich ihm seine Anteile an AeroLas abkaufte. Er |97| kehrte zurück an die Hochschule, ich führe das Unternehmen seitdem allein. Wir haben keinen Kontakt mehr. Manchmal frage ich
     mich, ob ich ihm nicht einen Entwicklungsauftrag verschaffen sollte, so als Handreichung zur Versöhnung. Aber dann denke ich,
     so ein Angebot würde uns doch nur wieder in die alte Rollenverteilung zurückfallen lassen.
    Mit dem kompletten Entwicklungsauftrag für die Bestückmaschine in der Tasche waren wir für das gesamte Jahr 2002

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