Gründergeschichten
ums Geld, der Betrag war viel zu klein, sondern um eine Machtprobe. Wir konnten als so kleiner
Betrieb aber keinen Rabatt geben. Doch man blieb stur: »Wenn ein kleines Unternehmen wie das Ihrige glaubt, uns erpressen
zu können, haben Sie sich getäuscht!«, sagten die. So ein Unsinn. Schließlich hatten nicht wir mit dem Preispoker angefangen.
Nach der Absage resignierte mein Kopf: Alles klar, das war’s jetzt mit der Firma. Aber mein Bauch protestierte: Jetzt erst
recht!
Ich hätte an der Uni weiterforschen können wie in den zehn Jahren zuvor. Doch wollte ich über die pure Forschung hinaus und
als Unternehmer ein Produkt bis zur Marktreife weiter entwickeln. Dank des Sieges im Start-up-Wettbewerb kamen wir mit Investoren
ins Gespräch und bekamen 2,2 Millionen Startkapital. Das reichte für zwei Jahre. Ein prestigeträchtiger Auftrag von einem
Optik-Hersteller ging ein, doch nur für eine sehr kleine Stückzahl. Allein die Zinszahlungen für das Startkapital verschlangen
im Jahr 160 000 Euro. Wir mussten zwanzig Mitarbeiter bezahlen. Da sind auch zwei Millionen schnell weg. Unser Ziel mussten
also Produkte sein, die von Technologie-Konzernen in großen Stückzahlen gekauft würden.
|90| Doch das war schwierig, so wie AeroLas damals funktionierte. Wir waren eine Truppe mit viel Engagement, alle Ideen wurden
im Team diskutiert. Der Konstruktionsleiter von AeroLas war ein gestandener Ingenieur von 55 Jahren, eine starke Persönlichkeit.
Wenn er von etwas überzeugt war, wollte er es durchziehen. Als Ingenieur hatte er dabei natürlich die beste technische Lösung
im Kopf und tat sich schwer, auch die Wünsche des Kunden und unseren Kontostand zu berücksichtigen. Mein Bauch grummelte,
doch ich wagte nicht, mich offen gegen ihn zu stellen. Mein Kopf suchte stattdessen nach diplomatischen Lösungen. Mein Mitgründer
und ich kamen direkt von der Uni. Wir hatten nicht gelernt zu führen. Der Erfolg blieb aus, die Optik-Spezialisten waren wegen
zu langer Entwicklungszeiten verärgert.
Erst während eines nervenaufreibenden Ringens um einen 1,5-Millionen-Euro-Auftrag von einem Weltkonzern gelang es mir, AeroLas
auf sichere Füße zu stellen. Schon am Lehrstuhl hatten wir erkannt, dass die Halbleiter-Branche Interesse an Luftlagern haben
müsste, weil dort Roboterbewegungen mit hoher Präzision, Schnelligkeit und Sauberkeit ausgeführt werden müssen – alles Kriterien,
die Luftlager sehr gut erfüllen. Doch welche Person im Konzern ansprechen? Ich kannte einen Motorenlieferanten, der mir ein
Dutzend kopierter Visitenkarten von Konzernleuten überließ, mit Bemerkungen versehen, welcher Abteilungsleiter gerne über
Technik spricht, welcher zum Typus der Entscheider gehört oder welcher nur zu Präsentationen einlädt, dann aber nie Aufträge
vergibt, aus Angst er könne etwas falsch machen.
Ich telefonierte, schickte Muster, schrieb Briefe und zahllose Präsentationen und erbettelte mir so Gesprächstermine. |91| Als ich dann in der Fertigungshalle stand, dachte ich: »Um Himmelswillen, in diese Maschinen wollen wir jetzt reinkommen?«
Es handelte sich um Bestückautomaten, die mit einem Greifarm Chips ansaugen und auf einer Platine platzieren.
Ich merkte langsam, wie schwierig es ist, ein Unternehmen direkt von der Uni heraus zu starten. Mein Tipp deshalb an Start-ups:
zuerst ein paar Jahre in der Industrie arbeiten, die man beliefern will! Da lernt man automatisch die wichtigen Leute kennen,
ihre Maschinen und deren Mängel. Das spart eine Menge Zeit, die kritisch fürs Überleben der eigenen Firma sein kann.
Wir brauchten den Auftrag unbedingt. Nach monatelangem Anbaggern durfte ich endlich bei einer zweitägigen Besprechung Zeichnungen
präsentieren und erklären, warum unsere Luftlager in den Bestückautomaten viel schneller und präziser arbeiten würden als
das bisher verwendete Kugellager. Der Entwicklungsleiter ließ sich überzeugen. »Ihr habt den Auftrag so gut wie sicher«, sagte
er, ein hart erkämpfter Vertrauensbeweis. Doch die endgültige Zusage kam und kam nicht. Im Herbst verloren unsere Gesellschafter
das Interesse für AeroLas. Sie drängten uns zum Verkauf der Firma.
Auch mein Partner wurde nervös, fühlte sich immer stärker von der Angst bedrängt, auf einem 200 000-Euro-Kredit sitzen zu
bleiben, und das nach vier Jahren Rackerei mit Arbeitszeiten von acht Uhr morgens bis zehn Uhr nachts, oft auch am Wochenende.
Meine Erwartung
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