Gründergeschichten
abgesichert,
das Jahr sollte sogar Gewinn abwerfen. Mein erster Gedanke war: Super! Der zweite: Oh, Gott, wie sollen wir das schaffen?
Der Auftrag war technisch nicht erfüllbar, zumindest nicht, wenn wir weitermachten wie bisher. Ich war mir sicher, dass ich
von nun an die letzte Entscheidung treffen und sie nicht im Team ausdiskutieren würde. Schließlich trage ich das gesamte finanzielle
Risiko. In der Firma habe nur ich den Überblick, was der Kunde will, der Kontostand erlaubt und die Entwickler aushirnen.
Das ist ein schmaler Grat, auf dem man die Balance halten muss. Vom Kopf her lässt sich in so einer komplexen Situation keine
Entscheidung treffen. Am Ende verlässt man sich auf seinen Bauch, der einem ein Gefühl dafür gibt, was funktionieren könnte.
Ich hatte natürlich Angst, dass die Mitarbeiter nach dem Weggang meines Partners und dem Wandel in der Unternehmenskultur
abspringen würden. Sie waren daran gewöhnt, demokratisch Entscheidungen zu treffen. Nun entschied ich auch gegen ihre Empfehlungen.
Entwickler sind empfindlich, wenn ihnen jemand die Ideen blocken will. Jeder hält seine Lösung für die beste. Meine Frau sagte
mir damals: »Michael, Du versuchst zu sehr, die Leute zu überzeugen. Wenn deine Entscheidungen richtig sind, bleiben deine
Mitarbeiter, und |100| wenn nicht, bringen auch Worte nichts.« Ich machte aus der Not eine Tugend und setzte an eine Entwicklung gleich mehrere Teams.
Im Wettbewerb soll sich entscheiden, wer die bessere Lösung findet, das stachelt sie zu Höchstleistungen an. Wir diskutieren
die Vorschläge jedes Teams. Aber entscheiden tue nur noch ich.
|98| Der Gründer
Name:
Michael Muth
Geburtsjahr
:
1960
Geburtsort:
Würzburg
Ausbildung /Abschluss:
Maschinenbauingenieur
Heutige Position in der Firma:
Geschäftsführer und Hauptanteilseigner
Das Unternehmen
Firmenname:
AeroLas GmbH
Sitz
:
Unterhaching
Gründungsjahr
:
1997
Was macht die Firma?
Entwicklung und Fertigung von Luftlagern und luftgelagerten Antriebssystemen
Mitarbeiter
:
20
Umsatz:
3,5 Millionen Euro
|99|
Michael Muth
Wenn ich bei Vorträgen sage, dass man Teamarbeit nicht überschätzen sollte und Wettbewerb der einzelnen Teams untereinander
gut tut, würden mir manche Zuhörer am liebsten den Kopf abreißen, weil es ihnen zu aggressiv klingt. Genau das sind aber die
Erfahrungen, die ich bei AeroLas gemacht habe. Der Wettstreit behindert ein gutes Klima nicht, sondern fördert es, wenn er
fair ausgetragen wird. Ein guter Ingenieur will nicht nur Geld mit seiner Arbeit verdienen, sondern sein Wissen und seiner
Ideen umsetzen. Meine Mitarbeiter lieben es, Produkte kreieren zu können, die einmalig auf der Welt sind. Sie wissen, dass
dieses Ziel nur mit Höchstleistungen erreichbar ist, und wenn dafür Wettbewerb unter den Teams notwendig ist, akzeptieren
sie das.
Letztlich sichert der Erfolg auch ihren Arbeitsplatz. Ich lasse sie im Gegenzug spüren, dass auch in schwierigen Zeiten Aero-Las
nicht nur des Profites wegen gesundgeschrumpft wird. Klar, oft wären Entlassungen kurzfristig die rentablere Lösung. Aber
das ist demotivierend, auch für diejenigen, die ihren Job behalten. Ich habe nur einmal jemanden gefeuert, weil er wirklich
keine Ahnung von seinem Job hatte. Verkleinerung kann ich mir nicht vorstellen, nur die Expansion. In einem kleinen Unternehmen
kann es diese wechselseitige Unterstützung zwischen Mitarbeitern und Eigentümer geben. In der Großindustrie, die gemeinhin
als attraktiver gilt, ist das nicht so.
|101| AeroLas hat unglaublich gute Leute bekommen können. Als wir für die präzisere Berechnung der Luftlager einen Physiker brauchten,
empfahl mir ein Bekannter Georg Slotta. »Achte nicht auf sein Äußeres, stell ihn einfach ein, egal was er trägt«, schärfte
er mir ein. Als Georg durch die Tür kam, wusste ich, was mein Bekannter gemeint hatte: Georg trug ein T-Shirt und lange Haare,
ich dagegen saß aufgemotzt mit Anzug und Krawatte da und ärgerte mich, dass beim Bewerbungsgespräch ausgerechnet ich overdressed
war. Aber ich habe ihn eingestellt.
Georg ist ein Genie. Es gibt niemanden auf der Welt, der so präzise Luftlager berechnen kann wie er. Wir bekommen Aufträge
von Konzernen, deren Forschungsabteilungen seit Jahren mit zig Millionen Euro Luftlager entwickeln lassen, aber es nicht hinbekommen.
Dann kommen sie zu uns, Georg schaut auf die Patente und sagt: »Ist doch klar, kann doch gar
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