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Gründergeschichten

Titel: Gründergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campus
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»fabelhaft«, »wunderbar«, »unglaublich«, »toll« und »verrückt« gehören zum festen Bestandteil
     seines Wortschatzes. Keine Frage – Peitgen will andere begeistern, überzeugen und mitreißen. Das muss er auch, denn Peitgen,
     der Wissenschaftler und Unternehmensgründer, ist ein Visionär – er hat sich immer für Dinge interessiert, die wirklich neu
     sind. Und nichts ist schwieriger, als die Menschen von dem Neuen zu überzeugen. Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt
     hat den Satz geprägt: »Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.« In gewisser Hinsicht hat Peitgen genau das getan. Allerdings
     nicht so, wie es gemeint war.
     
    I. Das Chaos, die Leber und das »Gefängnis« der Radiologie: Wie es
zur Gründung der MeVis-Gruppe kam
  In der Mathematik hieß das aufregende Neue Anfang der 80er Jahre: Chaostheorie. Und Peitgen stürzte sich darauf. »Das war
     wie ein Strudel, in den ich als junger Wissenschaftler hineingeriet«, erzählt Peitgen. Eine Wurzel der Chaosforschung ist
     die bahnbrechende Entdeckung des amerikanischen Meteorologen Ed Lorenz. Er hatte herausgefunden, dass die mathematischen Gleichungen,
     mit denen wir unser Wetter berechnen, mitunter extrem »sensitiv |139| « sind. Das heißt, wenn sich bei den »Zutaten« des Wetters, also bei Wind, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und so weiter auch
     nur eine Kleinigkeit verändert, kann sich diese Änderung immer stärker ausweiten und dazu führen, dass das Wetter in einer
     Woche vollkommen anders ist, als es ohne die ursprünglich ganz winzige Verschiebung gewesen wäre. Lorenz brachte seine Entdeckung
     auf einem Meteorologenkongress in Rio de Janeiro auf die berühmt gewordene Metapher vom Flügelschlag eines Schmetterlings
     in Rio, der einen Wirbelsturm in Boston auslösen könne. Anders formuliert: Ein Geschehen läuft nach strengen Gesetzen ab,
     es ist mathematisch genau festgelegt und fährt praktisch wie auf Schienen. Aber in sich hat das System eine sensitive Komplexität,
     die es nach vorne, in die Zukunft gerichtet, offen macht.
    20 Jahre nach dieser Entdeckung begannen Mathematiker die Chaostheorie für ihre Wissenschaft zu entdecken und das scheinbar
     Unberechenbare neu zu ordnen und zwischen Zufall und Chaos zu unterscheiden. »Ich war fasziniert«, sagt Heinz-Otto Peitgen.
     Anerkannt war die Forschung damals noch nicht, wer sich mit der Chaostheorie beschäftigte, galt tendenziell als Freak. »Vielleicht
     ist das eine Konstante in meinem Leben: Ich habe keine Hemmungen, mich auf das einzulassen, was mich interessiert, ganz gleich,
     was es ist«, sagt Peitgen. Im Zuge seiner Forschungen beschäftigte er sich mit fraktaler Geometrie. Mit Fraktalen lassen sich
     Strukturen beschreiben, wie sie in der Natur vorkommen und vor denen die klassische Geometrie kapituliert: Wolken, Berge,
     Küstenlinien, Kraterlandschaften auf dem Mond, Baumstrukturen. »Die fraktale Geometrie ist die Geometrie des Chaos«, erklärt
     Peitgen.
    |140| Ende der 80er Jahre wird das Thema in der Öffentlichkeit ungeheuer populär. Peitgen hat Spaß daran, seine Erkenntnisse einem
     breiten Publikum zugänglich zu machen, er schreibt Bücher wie »The Beauty of Fractals« und hält Vorträge vor Vorständen der
     Bank- und Automobilbranche, vor Managern und vor Medizinern. »Das war wie eine Modewelle«, erinnert er sich. Anfang der 90er
     Jahre führt dann eine kleine Veränderung beim Ablauf der Vortragsabende zu einer gewaltigen Veränderung im Leben von Heinz-Otto
     Peitgen: Der Mathematiker spricht auf einer Tagung von Radiologen über Fraktale und das Chaos. Nach dem Vortrag hockt er ausgelaugt
     am Tisch und will seine Ruhe haben, »doch dann kommt da dieser Kerl und verdirbt mir den ganzen Abend, weil er nur von diesem
     Ding redet«, erinnert sich Peitgen. Dieses Ding war die menschliche Leber. Und der Kerl, der auf ihn einredete, Chef der Radiologie
     an der Universitätsklinik Marburg.
    Inzwischen mag Peitgen das »Ding« richtig gern und hat sich intensiv mit ihm beschäftigt. In der MeVis-Zentrale in Bremen
     steht das Präparat einer menschlichen Leber – das Geschenk eines befreundeten Anatomen aus Genf, das »nicht mit Geld zu bezahlen
     ist« und das er mit großer Begeisterung seinen Besuchern vorführt. »Eine Riesenchemiefabrik« sei die Leber, gibt Peitgen sein
     medizinisches Wissen weiter, ungeheuer komplex mit ihren baumartigen Gefäßstrukturen und den vier Gefäßsystemen, die über
     das Blut Nährstoffe,

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