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Gründergeschichten

Titel: Gründergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campus
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nicht schwer. »Wenn mich irgendetwas anzieht, denke ich nicht schrecklich lange darüber nach, was die Gewinne und
     Verluste sind«, erklärt Peitgen.
    Er begreift ebenfalls sehr schnell, dass seine neuen Aktivitäten sich nicht im Rahmen eines Universitäts-Institutes verwirklichen
     lassen. Er muss eine Firma gründen. Peitgen verhandelt mit dem damaligen Bremer Bildungssenator, dem späteren Bürgermeister
     Henning Scherf. Der bewilligt ihm eine Million D-Mark und Peitgen gründet das gemeinnützige Forschungsinstitut MeVis. »Eine
     Million waren ein Wahnsinnshaufen Geld, Mathematiker operieren ja mit kleinen Summen«, erinnert sich Peitgen.
     
    II. Der Unternehmer, der Gott und das Marketing: Wie ein Start-up-Unternehmen
von sich reden macht
  Vor Unternehmern hatte Peitgen früher eigentlich nie besonders viel Respekt, im Gegenteil: »Als reiner Wissenschaftler hatte
     ich vor unternehmerischen |144| Aktivitäten einen Horror und dachte ehrlich gesagt, dass das ziemlich flach sei. Das ist etwas für die, die sich der Härte
     der wissenschaftlichen Arbeit nicht stellen wollten.« Heute sieht er das natürlich ganz anders. »Ich glaube, dass erfolgreiche
     Unternehmer ganz fabelhafte Höchstleistungen erbringen. Die Komplexität, die mit dem lebendigen Gestalten und erfolgreichen
     Führen eines Unternehmens einhergeht, übersteigt praktisch alles, was ich als Naturwissenschaftler erlebt habe.«
    So zufällig vieles an der Gründungsgeschichte von MeVis erscheinen mag, so strategisch waren die nun folgenden Entscheidungen:
     »Wir wollten Themenfelder wählen, in denen der Einsatz von Computern möglichst schnelle und deutliche klinische Effekte hat«,
     sagt Peitgen. Und das sind für ihn vor allem die Diagnostik und Therapie von Brustkrebs, die Leberchirurgie, die Gefäßdiagnostik
     sowie die Diagnostik und Therapie von Lungenerkrankungen. Auch der Aufbau und die Organisation des Unternehmens folgt strategischen
     Überlegungen: Da gibt es zum einen die MeVis Research GmbH – ein starkes, unabhängiges und gemeinnütziges Forschungszentrum
     mit dem Ziel, in der Medizin etwas zu bewegen. Hinzu kommen mehrere kommerziell ausgerichtete Tochterfirmen wie MeVis Technology,
     MeVis Breast Care, MeVis Diagnostic und MeVis Distant Services. Letztere bietet Dienstleistungen für Kliniken an: So können
     Ärzte via Internet Daten von Patienten nach Bremen schicken, die mittels Computertomografie erhoben worden sind. Die MeVis-Software
     berechnet mithilfe der gelieferten Informationen die Struktur des Organs und zeigt dem Chirurgen, welche Schnitte mit welchen
     Risiken verbunden sind. Der Schnittplan, den MeVis erstellt, ist ein |145| Vorschlag und soll den Arzt keineswegs entmündigen. »Sie werden immer einen erfahrenen Chirurgen brauchen«, sagt Peitgen.
     Das Verhältnis von Technologie und menschlicher Erfahrung sei in der Medizin ähnlich wie in der Fliegerei: »Trotz GPS und
     raffinierter Technik brauchen Sie immer einen reifen und hochqualifizierten Piloten im Cockpit.«
    Die kommerziell ausgerichteten Firmentöchter sind eng verflochten mit MeVis Research und bringen die Software zur Produktreife,
     inklusive der aufwendigen und kostenintensiven Zertifizierung, die gerade im Gesundheitsbereich notwendig ist. Damit die Töchter
     nicht nur Wissen aus der Forschung rausziehen, gibt es klare Verträge.
    Peitgen ist fest davon überzeugt, dass der Austausch zwischen Forschung und Produktentwicklung viel enger werden muss, als
     bisher in der Wirtschaft praktiziert wird. »Die Hälfte aller Medizinprodukte, die wir heute in Krankenhäusern sehen, sind
     weniger als zwei Jahre alt.« Das heißt, die Umsetzung von Forschung in Produkte erfolgt wahnsinnig schnell. Kaum etabliert
     sich das Produkt im Markt, gilt es schon fast wieder als veraltet und muss überholt werden. »Meiner Meinung nach sollte man
     sich deshalb an der Innovationsfront anders organisieren, als wir es bisher getan haben«, findet Peitgen. Auf der einen Seite
     die Universitäten, die Grundlagenforschung oder auch angewandte Forschung betreiben, und auf der anderen Seite die Industrieunternehmen,
     die sich das Wissen irgendwann hereinholen, um neue Produkte zu entwickeln – so funktioniert das heute nicht mehr. »Den klassischen
     arbeitsteiligen Weg, auf dem die alte Industriegesellschaft gebaut ist, muss man überwinden«, so Peitgen. Er ist sich sicher,
     mit der Struktur seines Unternehmens dem hohen |146| Innovationstempo der

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