Gründergeschichten
Linie |135| auch meine Motivation: zu inspirieren und zu investieren, um solchen Leuten zu helfen, sie zu unterstützen. Natürlich geht
es auch um Geld. Ich möchte erfolgreich sein. Aber eben auch um die Unternehmerkultur, die Deutschland dringend braucht.«
Der wesentliche Unterschied zwischen einem »Me-Business-Man« wie Gadowski und den zahlreichen Schaumschlägern der 90er Jahre,
ist wahrscheinlich der, dass zumindest bei einem Unternehmen wie Spreadshirt wirklich nichts auf Pump oder mit Börsenmillionen
lief und immer eine Portion Ironie über den neuen Hype mitschwingt. »Die kleinste ökonomische Einheit ist der Mensch«, sagt
Lukasz Gadowski, »und der ist heutzutage enabled.« Jeder könne fast alles an seinem Computer selber machen, Musik mischen,
Journalist sein, oder – »crowd-sourcing-mäßig« – Lexikas erstellen, um für andere als Filter in der Flut von Internetinformationen
aktiv zu werden. Und natürlich kann er seine selbst entworfenen T-Shirts bei Spreadshirt verkaufen.
Neulich, so erzählt er, sei er mit lauter Mc-Kinsey-Leuten unterwegs gewesen. »Die waren alle extrem smart, locker drauf und
so.« Trotzdem hätten nur zehn Prozent etwas mit dem Begriff »Long Tail« anfangen können.
Dabei weiß in Gadowskis Welt doch jeder, dass man im Internet vor allem durch eine breite Zahl von Nischenprodukten punkten
kann, dass nur das die Zukunft sein kann nach dem einheitlichen Massenmarkt. Der Begriff »Long Tail« steht dabei für den langen,
flachen Schwanz der Nachfragekurve, für das vereinzelte Interesse der Konsumenten an speziellen Produkten. Bisher war das
kein Markt, denn Hersteller und Käufer trafen in den klassischen Geschäften viel |136| zu selten aufeinander. Im Internet ist das anders und die Kunden des »Long Tail« stellen ein neues Käuferpotenzial dar, ideal
für kleine, individuelle Anbieter: interessiert, kaufwillig und bereit, ordentliche Preise für Dinge zu zahlen, die sie schon
immer haben wollten.
Mehr »Long Tail« als bei Spreadshirt, wo jeder seinen einzigartigen Slogan notfalls auch nur auf ein einziges T-Shirt drucken
lassen kann, geht fast nicht. Bisher war aber selbst für Gadowski schwer vorstellbar, dass sich dieser Trend wirklich in jeder
altmodischen Branche durchsetzen kann. Doch inzwischen musste er sich eines Besseren belehren lassen. Kürzlich war Lukasz
Gadowski zufällig bei Adidas und durfte sich dort seine eigenen Turnschuhe designen: »Hellblau mit rosa Schnürsenkeln an der
Seite und dem Schriftzug ›lakattack‹ drauf.« Auf die freut er sich sehr und kann es kaum erwarten: »So stolz bin ich darauf.«
Holger Witzel
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|137| »Ich dachte, Unternehmertum ist etwas für die, die sich der Härte der wissenschaftlichen Arbeit nicht stellen wollen«
MeVis-Gruppe
Aus dem Chaos zum Unternehmertum: Heinz-Otto Peitgen, Professor
für Mathematik und Chaosforscher, fand eher zufällig seine
unternehmerische Aufgabe: Aus dem Erkennen mathematischer
Strukturen formte er die Firma MeVis. Inzwischen hat sie mit ihrer
medizinischen Software denWeltmarkt erobert und so die Heilungschancen
Schwerkranker deutlich verbessert.
B remen, Universitätsallee 29: ein modernes Bürogebäude mit Glasfassade, eingebettet zwischen Mensa, Audimax und den Fakultäten
der Bremer Universität: Hier ist die MeVis-Gruppe zu Hause, und die Lage des jungen Unternehmens verrät viel über seine Wurzeln.
MeVis ist aus der universitären Forschung heraus gewachsen – vor zwölf Jahren gründete der umtriebige Mathematiker und Chaosforscher
Heinz-Otto Peitgen das »Institut für Medizinische Diagnosesysteme und Visualisierung«, kurz MeVis. Inzwischen arbeiten für
die Firmengruppe rund 140 Informatiker, Mathematiker, Ingenieure, Physiker und Mediziner, viele von ihnen sind frischgebackene
Absolventen der Uni Bremen. Ihre Aufgabe: Sie forschen und entwickeln komplexe Softwareprogramme, mit |138| deren Hilfe Ärzte lebensgefährliche Tumorzellen viel besser erkennen und operieren können.
Herz und Hirn des Unternehmens ist Heinz-Otto Peitgen, der so gar nicht ins Klischee des verschrobenen Mathematikers passt:
Peitgen redet gern und viel, er liebt Musik und Werder Bremen, hat einen Pilotenschein und bindet sich die Krawatte für offizielle
Termine schnell im Taxi um. Wer sich mit Peitgen unterhält, hört sofort, dass der Mann einen großen Teil seines Lebens in
Amerika verbringt. Worte wie
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