Gruene Armee Fraktion
Speichelreste von der Briefmarke zu separieren. Man kann sich nur wundern, wie viele Leute diese Dinger heute noch anlecken.« Er hielt den Umschlag prüfend unter einen Strahler. »Vielleicht haften auch Hautpartikel von den Fingern des Absenders an der Marke. Eigentlich müsste das reichen, um ein wundervolles genetisches Profil zu erstellen.« Vorsichtig spreizte er den Briefumschlag auseinander. »Wenn wir etwas Glück haben, könnten wir auch an der Klebelasche oder drinnen Spuren von demjenigen finden, der damit hantiert hat.« Dr. Blut zog seine Chirurgenhandschuhe aus und legte sie auf einen Leuchttisch. »Falls er oder sie nicht ebenfalls solche Dinger benutzt hat.«
»Geben Sie mir Bescheid, sobald Sie einen Code haben«, sagte Daffner im Hinausgehen, »dann lassen wir ihn durch die Datenbank laufen und gleichen ab, ob er schon gespeichert ist.«
Das Handy des Kommissars klingelte, als sie auf dem Rückweg zu seinem Zimmer waren. Er lauschte einen Moment und blieb dann abrupt stehen. Mondrian sah, wie die Farbe aus seinem Gesicht wich.
»Verstanden. In zehn Minuten.«
Daffner klappte das Handy zu und sah Mondrian in die Augen.
»Anschlag auf einen ICE. Der Zug ist in einem Tunnel bei Fulda entgleist. Tote und Schwerverletzte. Möglicherweise wieder diese Grüne Armee Fraktion.« Er musste Luft holen. »Wir fliegen mit der Tatort-Gruppe.«
Sie bückten sich, als sie zwanzig Minuten später unter den knatternden Rotorblättern hindurch zum Helikopter liefen. Der Hubschrauber war zwischen zwei BKA-Gebäuden gelandet und ließ seine Turbine weiterlaufen. Neben ihnen hasteten Spezialisten der Spurensicherung mit Metallkoffern zum Einstieg.
»Anschnallen!«, brüllte ein Crewmitglied durch den Maschinenlärm, und Mondrian bekam Stöpsel in die Hand gedrückt, um seine Ohren zu schützen. Als er sie hineingestopft hatte, hörte er alles nur noch gedämpft.
Krampfhaft hielt er sich an einer Stange fest, als der Hubschrauber abhob und sich schräg nach oben katapultierte.
Er hatte ein flaues Gefühl im Bauch.
10
ICE-Tunnel, Hessen
Draußen, in der Ferne, die Skyline von Frankfurt. Der Messeturm mit seiner spitzen Haube. Die glitzernden Zwillingstürme der Deutschen Bank und der Koloss der Commerzbank, die wuchtige Antenne protzig in den Himmel gereckt. Wie eine Stehparty stolzer Riesen wirkten die Wolkenkratzer, die hinter der vibrierenden Kunststoffscheibe des Helikopters vorbeizogen. Mondrian merkte erst, wie fest sein Gurt gezurrt war, als die Stadt schon hinter ihnen lag.
Im Hubschrauber war das Dröhnen der Rotoren so betäubend, dass sich die Crew nur über die Kopfhörer in ihren Helmen verständigen konnte. Mondrian beobachtete, wie die Männer aus dem Cockpit peilten, die Instrumente kontrollierten und Kommandos in ihre Mikrofone riefen, aber er konnte nichts verstehen. Die Spezialisten vom Bundeskriminalamt, die neben ihm saßen, schwiegen. Ihre Blicke wirkten nach innen gekehrt, manche hatten die Augen geschlossen. Sie bereiteten sich auf ihren Einsatz vor.
Der Hubschrauber war aus St. Augustin bei Bonn gekommen. Wie bei früheren Sondereinsätzen hatte das BKA einen Eurocopter von der Fliegerstaffel der Bundespolizei angefordert. Jetzt raste die Super Puma mit mehr als dreihundert Stundenkilometern nach Nordosten, Richtung Fulda. Sie folgte der Autobahn von Frankfurt nach Kassel; aus der Luft sahen die Wagen darauf wie Spielzeuge aus, die eine unsichtbare Hand an einer Schnur zog.
Mondrians Blick wurde jäh von dieser merkwürdigen Prozession durch ein Mosaik von Forsten und Feldern gerissen, als der Helikopter abrupt in den Sinkflug ging und sich in eine scharfe Kurve legte. Die Maschine flog einen Halbkreis über Hausdächer, eine Brücke, schien die Baumwipfel fast zu berühren. Mit einem Ruck setzte sie auf einer Wiese auf, der Wind der Rotoren peitschte die Gräser zur Seite. Als die Turbinen zum Stillstand kamen und Mondrian die Stöpsel aus den Ohren zog, erwartete er Stille. Stattdessen erfüllte Sirenengeheul das Tal.
Gleich neben dem Helikopter, wenige Meter von einer Bahntrasse entfernt, stand eine Kolonne von Rettungsfahrzeugen. Mit Martinshorn und Blaulicht rasten Feuerwehrwagen aus allen Richtungen zu einem Platz, der direkt vor dem Eingang eines Bahntunnels lag. Das Areal glich einem Feldlager. Während Sanitäter vom Roten Kreuz Tragen für den Transport von Schwerverletzten bereit machten und Männer vom Technischen Hilfswerk Schneidbrenner auspackten, krächzten
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