Gruene Armee Fraktion
ließ. Daffner schmunzelte. Er wusste, dass es Mondrian lieber war, hier nicht gleich als Journalist erkannt zu werden.
Im fünften Stock gingen sie durch endlose Korridore, in denen frühere Amtspräsidenten von gerahmten Schwarz-Weiß-Porträts streng auf die Bediensteten blickten. Immer wieder begegneten sie Kollegen Daffners, die ihm knapp zunickten, ohne dass ein Wort fiel. Die meisten hatten glatte, geschäftige Gesichter und wirkten so zugeknöpft wie ihre gedeckten Konfektionsanzüge. Nur Daffner gönnte sich eine etwas lädierte dunkelrote Jack-Wolfskin-Jacke zu dem altmodischen Schnäuzer, der seine Lippen fast vollständig verbarg.
Als sie seinen Raum betraten, fielen Mondrian sofort wieder die Polizeiwappen an den Wänden auf: Erinnerungen von Einheiten aus aller Welt, die der Spezialist für Spurensicherung ausgebildet hatte. Daneben hing sein großes Kendo-Holzschwert. Die asiatische Kampfkunst war Daffners Leidenschaft, seit Jahren sammelte er Medaillen in Wettkämpfen und verzierte damit sein nüchternes Amtszimmer. Heute stapelten sich Fotos auf seinem überladenen Schreibtisch. Ein Brandherd in einem Waldstück mit ein paar leeren Kanistern. Leichenteile mit verschmorten Fleischresten. Verkohlte Knochenfragmente und ein Aschehaufen, in dem ein rußiger Autoschlüssel lag.
»Das war wohl der Kopfhörer von Hajo Niemann«, sagte Daffner, während er auf ein Bild mit einem geschwärzten Metallbügel wies.
»Weiß man Näheres über den Ingenieur?«
»Bisher nur, dass er unverheiratet war und allein in einem gemieteten Haus auf der anderen Seite der Elbe gelebt hat. Eltern verstorben, ein Bruder in Kanada. Ziemlicher Einzelgänger, sagen die Mitarbeiter, die schon vernommen worden sind.«
Daffner blätterte in Protokollen der örtlichen Kripo und im Bericht des Pathologen, der auch eine DNA-Vergleichsuntersuchung durchgeführt hatte. Dann reichte er Mondrian ein Foto, auf dem große Kerben in einem Baumstamm zu sehen waren, geformt wie ein X.
»Das wurde vier Meter vom Tatort entfernt aufgenommen. Als wollten der oder die Täter damit etwas Besonderes mitteilen.«
»Bloß was? Ich habe gestern eine Frau in der Elbmarsch getroffen, die wirr von einem Tag X geredet hat. Und dann kam diese Scheibe mit der elektronischen Botschaft bei uns an.«
Mondrian holte die CD aus seiner Tasche. Sie war sorgfältig in eine Hülle verpackt worden, nachdem man in der Redaktion Kopien gemacht hatte. Auch den Original-Briefumschlag, ebenfalls in Plastik eingewickelt, schob er über den Schreibtisch. Natürlich wusste er, dass es heikel war, Unterlagen der Redaktion an die Polizei zu geben. Aber beide Seiten spielten gelegentlich in aller Stille Informationen hin und her, wenn es den eigenen Interessen diente. Geben und Nehmen, das war bei den Medien business as usual , ob mit Politikern, Anwälten oder Wirtschaftsbossen.
»Deal?«, fragte Mondrian.
Daffner nickte. »Deal.« Vorsichtig nahm er die CD mit der Botschaft der »Grüne Armee Fraktion« in die Hand. »Aber du musst im Hintergrund bleiben, wenn sich gleich die Soko trifft.«
Es waren elf Männer und vier Frauen, die der Sonderkommission angehörten. Sie kamen in einem Besprechungsraum am Ende des Flurs zusammen und verteilten sich um einen langen Tisch in der Mitte, auf dem Plastikbecher mit Kaffeeresten der letzten Nacht stehen geblieben waren. Zwei Männer, die übermüdet aussahen, kauten an Pizzastücken aus einer Alufolie. Ein anderer, dunkle Ringe unter den Augen, hatte sich eine Red-Bull-Dose mitgebracht.
»Also«, sagte Daffner, während er sich neben einem Flipchart aufbaute, »bisher sind mehrere CDs bei verschiedenen Medien eingegangen. Eine davon haben wir hier erfreulicherweise im Original.«
Er hielt die umhüllte Scheibe in die Höhe und schaute demonstrativ zu Mondrian, der hinten in einer Ecke des Raumes stand. Die Köpfe drehten sich kurz zu ihm, ohne dass jemand etwas sagte. Dann wandten sie sich wieder ihrem Vorgesetzten zu.
»Was da drauf ist, werden wir uns nachher minutiös ansehen.« Daffner zog seine Jacke aus und warf sie über eine Stuhllehne. »Aber vorher möchte ich, dass das Ding auf Fingerabdrücke untersucht wird. Selbst wenn in der Redaktion schon mehrere Leute ihre Pfoten darauf hatten.«
Er blickte fragend zu Mondrian. Der nickte.
»Wenn wir Glück haben, finden wir trotzdem noch Prints, die weiterhelfen. Eigentlich ist eine CD ja der perfekte Träger für Fingerspuren. Und die IT-Spezialisten sollen
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