Gruene Armee Fraktion
Maschine an Terminal A angedockt hatte, ging er zwischen Männern mit Businesskoffern, die hektisch ihre iPhones zückten, zum Ausgang. Holte Schlüssel und Papiere eines Mietwagens und fuhr aus dem Parkhaus Richtung Wiesbaden. Auf der A3, Überholspur, schaltete er das Radio ein.
»I shot the sheriff but, I didn’t shoot the deputy …«
Eric Claptons Blues-Stimme. Sie kam über einen dieser Verkehrssender, die zwischen Rock und Pop sämtliche Staus in Deutschland von Amrum bis zur Zugspitze durchsagten. Schön, diesen Song mal wieder zu hören. Und noch besser, den »Sheriff« mal wieder zu sehen.
Er kannte Thomas Daffner seit fünf Jahren. Zum ersten Mal war er dem Kriminalhauptkommissar des Bundeskriminalamts begegnet, als er einen Bericht über Neonazis in Mecklenburg-Vorpommern schreiben wollte. Damals hatte er einen Hinweis bekommen, dass eine »Kameradschaft« ein ganzes Dorf unter Kontrolle gebracht habe. Die Bewohner würden so terrorisiert, dass sie aufgäben und wegzögen, hatte ihm ein anonymer Anrufer erzählt. Nach ein paar unauffälligen Recherchen im Umfeld war Mondrian offen als Reporter in die »national befreite Zone« marschiert. Anfangs waren ihm Schläge angedroht worden. Aber zwei Tage später posierten ein paar Glatzköpfe sogar mit Emblemen und Springerstiefeln für ein Shooting, weil sie »geil« darauf waren, sich in der Presse zu sehen.
Noch in derselben Nacht hatte Mondrian einen jungen Mitläufer aus der Nachbarschaft in einer Kneipe abgefüllt. Lallend prahlte der Lehrling mit einem geplanten Überfall auf einen linken Buchladen in Rostock. Und noch zwei Klare später zeichnete er auf einem Bierdeckel die Wegkreuzung, wo die Gruppe ihre Waffen in einem Wald vergraben hatte. Mondrian rief beim Bundeskriminalamt an und wurde zu Daffner durchgestellt. Später saß der Kommissar dann mit auf dem Podium, als das BKA den »erfolgreichen Schlag gegen eine kriminelle Vereinigung« bei einer Pressekonferenz verkündete und die beschlagnahmten Karabiner, Schlagringe und Pistolen im Scheinwerferlicht präsentierte.
Die zweite Begegnung war nicht so erfreulich gewesen. Daffner gehörte der »IDKO« an, einer Kommission von Freiwilligen im Bundeskriminalamt. Sie half bei der Identifizierung der Toten, wenn es eine Katastrophe mit zahlreichen Opfern wie das ICE-Unglück von Eschede oder den Concorde-Absturz in Paris gab. Gleich nach dem Tsunami in Südostasien war Daffner mit einer eilig zusammengestellten Truppe nach Thailand geflogen. Mondrian, damals selbst von seiner Redaktion dorthin beordert, hatte ihn an einem Strand bei Phuket getroffen, wo er mit Mundschutz und schweißverklebten Haaren einen Toten nach dem anderen untersuchte. Schwarz angelaufene aufgedunsene Körper oder das, was von ihnen übrig geblieben war. Zwischen zerfetzten Hütten und entwurzelten Palmen hatten sie an einem Abend gemeinsam in einer Strandbar versucht, den stechend süßen Leichengeruch mit Mekhong-Whisky wegzuspülen. Vergeblich. Aber sie boten sich dabei das Du an.
Am Neroberg in Wiesbaden nahm Mondrian den Fuß vom Gas. Nur noch wenige hundert Meter bis zur Pforte des Bundeskriminalamts, das abweisend wie eine Trutzburg auf der Anhöhe lag. Hinter einem mit Videokameras gespickten Doppelzaun erhoben sich Gebäudeblöcke, die aus einer Zeit stammten, in der Waschbeton noch als Zierde gegolten hatte. Von einem der Allerweltsklötze ragte ein Wald von Funkmasten in den dunstgrauen Himmel auf.
Mondrian hielt vor der Schranke und legte an dem Wachhaus seinen Personalausweis in eine Schublade. Das Papier verschwand hinter einer dunklen Scheibe. Das Formular, das im Gegenzug herauskam, fragte ihn nach Name, Adresse und Funktion.
»Alles schon im Computer.« Mondrian musste sich bücken, um in ein Mikrofon zu sprechen, das viel zu tief angebracht war. »Bin nicht zum ersten Mal hier.«
Das schien die Wachtposten nicht zu interessieren. Nach mehreren Minuten traten zwei Uniformierte heraus und durchsuchten jeden Winkel seiner Tasche. Dann inspizierten sie in aller Ruhe den Kofferraum des Mietwagens. Erst danach durfte er das Auto hinter dem Schlagbaum in einer Parkbucht abstellen.
»Willkommen im Hochsicherheitstrakt.«
Daffner war aus dem Tiefgeschoss gekommen und begrüßte Mondrian mit einem belustigten Seitenblick auf die Männer vom Sicherungsdienst. Er führte ihn zu einem Aufzug, wo Mondrian das Besucherschild, das er laut Anweisung »gut sichtbar tragen« musste, in der Sakkotasche verschwinden
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