Grüne Schnüre mit Apfelgeschmack (German Edition)
Klassenkameradin. Sie muss neu in Klasse sein, denn früher ist sie nie mit uns gefahren. Wenn sie da ist unterhält er sich die ganze Fahrt zur Schule mit ihr. Sie ist furchtbar; furchtbar perfekt, mindestens Sechzehn, langes blondes Haar und ihr makelloses Gesicht glänzt immer total fettig. Ihre Augen sind stark geschminkt und sie hat schon einen richtigen entwickelten Busen. Er ist nicht der Typ der auf so eine abfährt. Er ist nicht oberflächlich. Er wird mit ihr ein kameradschaftliches Verhältnis haben, mit ihr die Hausaufgaben durchgehen und es schrecklich finden, dass sie nach Creme stinkt und wie eine eingefettete Speckschwarte glänzt. Meine getönte Tagescreme ist mattierend. Da lege ich großen Wert drauf.
Während ich meinen Träumen nachhänge und ihn dabei immer wieder anschauen muss, sind meine zehn Glücksminuten auch schon um. Wir sind an seiner Schule angekommen. Er steigt aus, winkt seinem Freund zu, der ganz vorne gesessen hat. Ich stutze, s ie steht unter einem Schirm an seiner Haltestelle und wartet; auf ihn? Es regnet immer noch, er geht auf sie zu und stellt sich zu ihr unter den Schirm, beugt seinen Kopf etwas und schließt seine Jacke. Sagt er etwas zu ihr? Warum wartet sie auf ihn? Der Bus setzt sich wieder in Bewegung. Ich drücke auf den Haltewunschknopf, an der nächsten Station muss ich auch raus.
Aus meiner Klasse ist selten jemand im Bus. Manchmal steigt Charlotte aus der B ein. Das nervt mich dann. Ich habe keine Lust mich von ihr oder sonst wen zutexten zu lassen, wenn er in der Nähe ist.
Ich haste zur Schule. Heute ist ein guter Tag, es ist Montag. Ihn mittags zu treffen, ist das Highlight. Da steigt er bei mir ein. Der dreizehn Uhr Bus ist weder für die Leute seiner Schule, noch für uns zu schaffen. Also pilgern alle zum kleinen Kiosk bei uns an der Ecke, um die Zeit totzuschlagen. Er steht auf diese Bionade. Meistens kauft er sie mit Litschi Geschmack. Ich male mir oft aus, wie seine Lippen danach schmecken.
Erwartungsvoll warte ich nach der Schule auf ihn. Da hinten in einem Pulk, überquert er die Ampel. Die Jeansjacke von heute morgen hat er ausgezogen, er trägt ein lila Poloshirt. Ich mag es, wie er sich kleidet, so stylisch. Es regnet nicht mehr, die Sonne kommt endlich raus. Sein braunes Haar schimmert leicht rötlich in diesem Licht. Kastanienbraun nennt man die Farbe. Ich kenne niemanden mit so schönen Locken.
Er unterhält sich mit seinem Freund und neben ihm geht - Oh Gott, muss das sein – s ie. Ich frage mich, warum sie jetzt ständig an ihm klebt. Die drei stellen sich fast neben mich, unterhalten sich über einen Film der gestern Abend im Fernsehen lief. Ich bin aufgeregt. Wenn er doch nur alleine wäre. Ich wage trotzdem einen Blick zur Seite, muss ihn einfach beobachten. Plötzlich sieht mich sein Freund unverhohlen an und zieht sie zu sich, raunt ihr etwas ins Ohr. Sie schaut verwundert und mustert mich von oben bis unten. Ich fühle mich auf einmal noch mickriger, als ich mit meinen gerade mal 1,55 m eh schon bin. Dann rammt das Arschloch ihm den Arm in die Rippen und meint ganz laut „Ne, Tim. Die Kleine steht auf dich. Starrt dich ständig an. Hey, Kleene, Tim ist schon vergeben“. Damit schüttet er sich aus vor Lachen.
Ein Blitzschlag durchfährt meinen Körper. Ich spüre wie mir das Blut ins Gesicht schießt. Gefühlte fünfzig Grad brennen unter meiner Haut. Oh Gott, bitte, lass sich den Boden unter mir auf tun. Regungslos stehe ich da und hoffe, dass es nicht alle mitbekommen haben. Aber um mich herum ist nach wie vor lautes Gerede und Getöse. Nach dem langen Schultag ist jeder mit sich selbst beschäftigt. Er schaut mich ein wenig betreten an, während das Arschloch weiter grinst.
Ich bin nicht in der Lage etwas zu erwidern und blicke einfach nur geschockt zu Boden. In diesem Moment fährt der Bus in die Haltebucht ein. Das Arschloch nimmt seine Unterhaltung von eben wieder auf, als wäre nichts gewesen; als hätte er nicht gerade mit einem Satz mein Leben zerstört. Er steigt in den Bus und zieht sie Händchenhaltend hinterher.
Die Szene von heute morgen läuft wie ein Film vor meinen Augen ab: Er hatte sich zu ihr runter gebeugt. Er hatte nichts zu ihr gesagt, er hat sie geküsst! Sie ist in der letzten Zeit in unserem Bus wegen ihm. Ich komme mir mit einem mal so entsetzlich dumm und klein vor.
Ich versuche den dicken Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken und wenigstens ein kleines bisschen Restfassung zu bewahren. Der Bus
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