Grüne Schnüre mit Apfelgeschmack (German Edition)
setzt sich in Bewegung. Ich lasse ihn fahren, der nächste kommt in zehn Minuten. Zehn Minuten werden nicht reichen, um meine Tränen versiegen zu lassen, denen ich jetzt freien Lauf lasse. Ich wusste nicht, dass Liebe so weh tut.
2. Kapitel
Die Fahrt nach Hause überstehe ich nur mühsam. Zum Glück ist der Bus so gut wie leer. Es muss ja nicht jeder sehen, wie mir ein ganzer Bach aus den Augen rinnt.
Zuhause angekommen durchkrame ich schluchzend meinen Rucksack nach dem Haustürschlüssel und brauche eine halbe Ewigkeit zum Aufschließen. Meine Hände zittern wie wild. Das Haus ist beruhigend still, keiner da. Ich könnte jetzt niemanden ertragen.
Ich feuere meine Tasche in die nächstbeste Ecke des Zimmers und lasse mich mit einem gewaltigen Plumps aufs Bett fallen. Endlich kann ich meine Gefühle lautstark rauslassen. Heulend und jammernd greife ich nach meinen Ipod, der griffbereit auf der Nachtkonsole liegt. Ein Blick aufs Display ist nicht nötig, um den richtigen Song zu finden, mit geübten Fingern fliege ich blind über die Tasten und stopfe die Kopfhörer in die Ohren. Milow singt auf Maximal-Power und im Repeat. Mein Trommelfell rebelliert, aber selbst 1000 Dezibel mehr würden es nicht schaffen den Schmerz in meiner Brust komplett zu kompensieren.
So fühlt sie sich also an die Liebe - danke auch, ich glaube, darauf kann ich wirklich verzichten. Um Liebeskummer zu haben, muss man doch erst mal die Liebe erlebt haben, oder? Man trifft einen Typ, verknallt sich und dann folgen die schönen Dinge: Das Kennenlernen, ein aufregendes Date, auf den der erste Kuss folgt und anschließend ist man richtig zusammen. Irgendwann gehen einem solche Sätze wie „ich kann heute nicht mit zum Eislaufen, mein Freund will mit mir ins Kino“ ganz leicht von den Lippen. Wenn man in der Schule wie zufällig sein Handy aus der Tasche zieht, springt einem sein Lächeln auf dem Bildschirmschoner Bild entgegen. Die Mädels aus der Klasse reißen einem das Telefon mit einem „Zeig doch mal. Der sieht aber gut aus“, aus der Hand und man ist stolz einen so tollen Freund zu haben, um den andere einen beneiden. Und erst dann, wenn er als Austauschschüler in die USA geht oder in eine andere Stadt ziehen muss, weil die Firma seines Vaters den Standort verlegt, erst dann kommt doch das Kapitel des Leidens. In meiner Vorstellung findet eine letzte innige Umarmung am Flughafen oder Bahnhof statt. Man küsst sich zärtlich, verspricht sich treu zu bleiben und jeden Abend zu chatten. Das ist die Stelle an der geweint und gelitten werden darf. Aber doch nicht jetzt schon. Muss man für eine Pizza bezahlen, obwohl man nicht mal reingebissen hat?
Kann man überhaupt ein gemeinsames Lied haben, auch wenn man noch nie miteinander gesprochen hat? Vielleicht steht er auf Hardrock oder Rap und nicht auf Milow. Vielleicht hat er bereits mit ihr ein gemeinsames Lied. Ein erneuter Weinkrampf durchschüttelt meinen Körper. Es tut so verdammt weh. Wie soll ich ihm jemals wieder in die Augen blicken? Sein bescheuerter Freund hat mich komplett bloß gestellt. Und er? Er hat uns verraten!
Während meine Ohren unermüdlich im Takt der Musik vibrieren, überkommt mich irgendwann die Müdigkeit. Mit meinem alten Brummbär im Arm schlafe ich erschöpft ein. Brummi ist der einzige, auf den man immer zählen kann. Eine entfernte Tante hat ihn mir mal zum zweiten Geburtstag oder so geschenkt. Sein braunes verfilztes Fell war früher einmal weich und kuschelig. Heute hat er nur noch ein Knopfauge und seine einst bauschige Füllung ist platt und hart geworden. Aber für mich hat Brummi nichts von seiner Schönheit eingebüßt. Er hat mit mir die Kindergartenzeit, den ersten Schultag und die ersten Reiterferien ohne Mama und Papa überstanden und wenn ich mir als Kind die Knie aufgeratscht habe, hat Mama auch Brummi ein Pflaster aufgeklebt. Nun nehm ich ihn nur noch selten in den Arm, ich bin ja kein Baby mehr, aber heute halte ich, den bereits von Tränen durchweichten, Brummi eng umschlungen.
Es ist fast sechs Uhr, als mich Mama sanft am Arm rüttelt und weckt. „Paula, warum schläfst du denn schon?“ Sie schaut mich forschend an. „Was ist denn los? Du hast ja geweint. War was in der Schule?“
Schluchzend schmeiße ich mich in ihre Arme und bringe mühsam ein „Ach Mami, es ist alles so schrecklich“ heraus.
Meine Mutter wartet geduldig, bis auch der letzte Tropfen Flüssigkeit meinen Körper verlassen hat, packt mich dann an beiden
Weitere Kostenlose Bücher