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Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Titel: Grüne Tomaten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fannie Flagg
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neuen Gouverneurin, Mrs. Lurleen Wallace, zum überwältigenden Sieg über ihren Gegner. Bei der Amtseinsetzung sah sie reizend aus, und sie versprach ihrem Gatten George, der als ihr Chefberater fungieren soll, jedes Jahr einen Dollar zu zahlen. Viel Glück, Lurleen!
    Fast genauso aufregend wie unsere neue Gouverneurin ist der Totenschädel, der am Donnerstagmorgen auf dem Grundstück neben dem einstigen Threadgoode-Haus entdeckt wurde. Der Leichenbestatter von Birmingham stellte fest, es handle sich nicht um einen Indianerkopf. Dafür sei er nicht alt genug. Er habe ein Glasauge und sei offensichtlich vom Rumpf abgehackt worden. Irgendwas könne da nicht stimmen. Wer jemanden mit einem Glasauge vermisst, möge sich an die Birmingham News wenden. Oder rufen Sie mich an, dann erledige ich das. Es ist ein blaues Auge.
    Letzten Samstag machte meine andere Hälfte eine Dummheit, erlitt einen Herzanfall und erschreckte mich arme Frau fast zu Tode. Der Arzt meint, es sei nichts Ernstes, aber Wilbur müsse das Rauchen aufgeben. Nun habe ich also meinen großen Brummbären daheim und verwöhne ihn. Mr. Wilbur Weems hat die ganze letzte Woche im Bett gefrühstückt. Ihr alten Kumpel da draußen – wenn ihr mir helfen wollt, ihn aufzuheitern, kommt nur her – aber bringt keine Zigaretten mit, denn er würde versuchen, euch welche abzuschwatzen. Ich weiß es, denn mir hat er schon ein Päckchen gestohlen. Wahrscheinlich muss ich auch zu rauchen aufhören.
    Wenn’s ihm besser geht, fahre ich mit ihm in Urlaub.
    Dot Weems

H OTEL DE L UXE , Z IMMER FÜR G ENTLEMEN
    8 TH A VENUE N ORTH , B IRMINGHAM , A LABAMA
    2. Juli 1979
    Ein farbiger Gentleman erkundigte sich nach einem anderen farbigen Gentleman, der lachend in der Halle saß. »Ist der Nigger verrückt oder was? Worüber lacht er? Kein Mensch redet mit ihm.«
    Der pockennarbige braune Mann am Empfang erwiderte: »Oh, er braucht keinen Gesprächspartner. In seinem Hirn ist schon vor langer Zeit alles durcheinandergeraten.«
    »Was macht er denn hier?«
    »Irgendeine Frau hat ihn vor zwei Jahren hergebracht.«
    »Und wer zahlt seine Rechnung?«
    »Sie.«
    »Hm …«
    »Jeden Morgen kommt sie her und zieht ihn an, und abends bringt sie ihn ins Bett.«
    »Was für ein angenehmes Leben!«
    »Finde ich auch.«
    Artis O. Peavey, der Gegenstand dieser Diskussion, saß auf einem roten Ledersofa, dessen Wattefüllung aus mehreren aufgerissenen Nähten quoll. Seine verschleierten braunen Augen schienen die Wanduhr im rosa Neonring zu fixieren. Der einzige andere Wandschmuck war eine Zigarettenreklame, auf der ein attraktives schwarzes Paar eine Salem genoss und bemerkte, der Rauch sei so kühl wie eine Bergquelle. Artis warf den Kopf in den Nacken, lachte wieder und entblößte seinen blauen Gaumen, vor dem einst zahlreiche Goldzähne gefunkelt hatten.
    Für den nichts ahnenden Beobachter saß Mr. Peavey in der Halle einer heruntergekommenen Absteige, auf einem von der Hoteldirektion zur Verfügung gestellten Handtuch, da er oft durch die Gummihose pinkelte, die ihm die Frau jeden Morgen anzog. Aber für Mr. Artis O. Peavey selber war es wieder 1936. Und im Augenblick wanderte er die 8th Avenue North hinab, in einem Anzug aus violettem Haifischleder, in hellgrünen Fünfzig-Dollar-Halbschuhen, das Haar frisch geglättet und pomadisiert, sodass es glänzte wie schwarzes Eis. Diesen Samstagabend hing Miss Betty Simmons an seinem Arm, laut der Gesellschaftskolumne in den Slagtown News die Königin der Ebenholz-Schickeria von Birmingham.
    Gerade waren sie an der Masonic Hall vorbeigegangen. Zweifellos steuerten sie den Tuxedo Junction Ballroom an, wo Count Basie auftrat – oder war es Cab Calloway?
    Kein Wunder, dass Artis lachte. Und dem Allmächtigen sei Dank, weil er keine Erinnerungen an die schlechten Zeiten weckte, wo es für einen »Nigger« samstagabends keinen Spaß gegeben hatte. Jene langen, harten Nächte in Kilbey, wo er von Wärtern und Gefangenen gleichermaßen geprügelt und getreten und gestochen worden war. Wo man mit einem offenen Auge hatte schlafen müssen, jeden Moment darauf gefasst, umgebracht zu werden … In letzter Zeit glich Artis’ Geist dem Frolic Theater, er setzte nur Komödien und Romanzen auf den Spielplan, und er selbst übernahm die Hauptrolle, umringt von braunen, schwarzen und zimtfarbenen Schönheiten mit schwingenden Hüften und blitzenden Augen …
    Er schlug auf die einst glänzende und jetzt matte Chrom-Armstütze des Sofas und lachte

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