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Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Titel: Grüne Tomaten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fannie Flagg
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sie selbst. Je öfter Mrs. Threadgoode davon redete, desto seltener lief Towanda in Evelyns Fantasie Amok, um die ganze Welt zusammenzuschlagen. Und schließlich sah sie sich schlank und glücklich am Steuer eines rosa Cadillacs.
    Und dann, an jenem Sonntag in der Martin-Luther-King-Memorial-Baptistenkirche, war etwas Merkwürdiges geschehen. Zum ersten Mal seit Monaten hörte sie auf, an Selbstmord und Mord zu denken. Sie erkannte, dass sie leben wollte. Immer noch in Hochstimmung nach dem Kirchenbesuch, nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und ging, unterstützt von zwei Valiumtabletten, zu einem Arzt. Er entpuppte sich als charmanter junger Mann. An die Untersuchung sollte sie sich später kaum erinnern, wusste nur, dass er nichts Schlimmes gefunden hatte. Sie brauchte nur ein bisschen Östrogen – genau wie Mrs. Threadgoode es vermutete. Der Doktor verschrieb ihr Premarin, 625 mg, und nach der Einnahme des Medikaments fühlte sie sich sofort besser.
    Einen Monat später hatte sie einen gewaltigen Orgasmus, der den armen Edward beinahe zu Tode erschreckte. Zehn Tage danach begann er ein Trainingsprogramm beim Christlichen Verein Junger Männer.
    Zwei Wochen nach dem Empfang ihres Mary-Kay-Schönheitskoffers hatte sie das Studium ihres »Handbuchs für den perfekten Start«, beendet und einen Vertrag unterzeichnet. Nun war sie Mary-Kay-Schönheitsberaterin und hielt Kurse für Hautpflege ab. Bald überreichte ihr bei einer besonderen Zeremonie ihre Mary-Kay-Bezirksdirektorin eine Anstecknadel zum »perfekten Start«, die sie voller Stolz trug. Einmal hatte sie sogar ihren Lunch vergessen …
    Das alles geschah so schnell – aber nicht schnell genug für Evelyn. Und so hob sie fünftausend Dollar vom Sparkonto ab, packte ihre Sachen, und dann saß sie im Flugzeug auf der Reise zu einer Schlankheitsfarm in Kalifornien und las die Broschüre, die man ihr zugestellt hatte. Sie war so aufgeregt wie an ihrem ersten Schultag.
    EIN TAG AUF UNSERER SCHLANKHEITSFARM
    7 Uhr: Ein flotter Spaziergang, eine Stunde lang, in der Stadt oder in freier Natur
    8 Uhr: Kaffee und ein kleines Glas ungesalzener Tomatensaft
    8 Uhr 30: Übungsprogramm zum Munterwerden, nach dem Song »I’m So Excited« von den Pointer Sisters
    9 Uhr: Stretch-Übungen, Trainingsprogramm mit Bällen, Stäben und Hula-Reifen
    11 Uhr: Spaß im Wasser, mit Bällen und Schwimmgürteln
    12 Uhr: Lunch – 250 Kalorien
    13 Uhr: Freizeit für Massagen und kosmetische Behandlungen, für Füße und Hände, Kuren mit heißem Öl
    18 Uhr: Dinner – 275 Kalorien
    19 Uhr 30: Kunst und Kunsthandwerk – Mrs. Jamie Higdon gibt Unterricht in Malerei, insbesondere im Stilleben (nur künstliche Früchte werden benutzt)
    Nur Freitag: Mrs. Alexander Bagge zeigt uns, wie man Körbe aus Teig flicht (nicht essbar)

W HISTLE S TOP , A LABAMA
    7. November 1967
    Hank Roberts war gerade siebenundzwanzig geworden und besaß schon seine eigene Baufirma. An diesem Morgen hatte er mit seinem langhaarigen Kumpel Travis einen neuen Job in Angriff genommen. Der riesige gelbe Bulldozer stöhnte und wimmerte, während er das Grundstück neben dem alten Threadgoode-Haus an der First Street aufwühlte.
    Travis, der an diesem Vormittag bereits zwei Joints geraucht hatte, wanderte umher, grub seinen Stiefel ins Erdreich und murmelte vor sich hin: »He, Mann, schau dir diese Scheiße an! So ein dickes, fettiges Zeug …«
    Bald machte Hank Mittagspause, und Travis rief ihm zu: »He, schau dir diese ganze Scheiße an!«
    Hank kam herüber und studierte den Boden, den er soeben umgegraben hatte. Darin steckten lauter Fischköpfe, großteils nur mehr Zahnreihen, vertrocknete Schweinsköpfe und Hühnerknochen, von längst vergessenen Menschen abgenagt. Als Landjunge an einen solchen Anblick gewöhnt, sagte er nur: »Na, so was …« Dann setzte er sich neben den Bulldozer, öffnete seine schwarze Lunchbüchse und begann eines seiner vier Sandwiches zu essen.
    Immer noch von seiner Entdeckung erschüttert, stocherte Travis in der Erde herum, grub Gebeine und Totenschädel und Zähne aus. »Jesus Christus, da müssen Hunderte von diesen Dingern liegen. Was treiben die hier?«
    »Wie zum Teufel soll ich das wissen?«
    »Scheiße, das ist bizarr wie die Hölle.«
    Mittlerweile war Hank angewidert. »Verdammt, das sind doch nur ein paar Schweinsköpfe! Fall mir nicht damit auf die Nerven!«
    Travis trat gegen etwas und erstarrte. Nach einer Minute sagte er mit seltsamer Stimme: »He, Hank …«
    »Was

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