Grünes Gift
inzwischen noch mehr. Ich bin jetzt eine Mischung aus meinem früheren menschlichen Wesen und einer Spezies, die beinahe so alt ist wie die Galaxie selbst.« Cassy musterte ihn. Ihre innere Stimme riet ihr, so schnell wie möglich abzuhauen, doch sie war so entsetzt, daß sie wie erstarrt stehenblieb.
»Du wirst auch ein Teil dieses neuen Lebens werden«, erklärte Beau. »Bald werden alle zu uns gehören - oder zumindest diejenigen, die keine schlimmen genetischen Defekte haben. Ich hatte lediglich die Ehre, der erste sein zu dürfen, aber das war reiner Zufall. Es hätte genausogut dich oder jemand anders treffen können.«
»Und mit wem spreche ich jetzt?« wollte Cassy wissen.
»Mit Beau? Oder spreche ich durch das Medium Beau mit dem Bewußtsein des Virus?«
»Wie ich schon sagte, mit beiden«, erwiderte Beau geduldig. »Aber das außerirdische Bewußtsein erhöht sich mit jedem infizierten Individuum. Ähnlich wie das menschliche Gehirn aus unglaublich vielen Zellen zusammengesetzt ist, ist das außerirdische Bewußtsein eine Komposition infizierter Menschen.« Um ihr nicht noch mehr Angst einzujagen, streckte er behutsam seine Hand nach ihr aus, rollte seine schlangenartigen Finger zu einer Art Faust zusammen und streichelte ihr über die Wange.
Cassy mußte mit aller Kraft gegen das Ekelgefühl ankämpfen, das plötzlich in ihr hochkam. Sie konnte es kaum ertragen, sich von dieser Kreatur liebkosen zu lassen.
»Ich muß dir etwas gestehen«, sagte Beau. »Ich habe versucht, nicht mehr an dich zu denken. Am Anfang war es gar nicht so schwer, weil wir soviel zu tun hatten. Aber du bist mir immer wieder in den Sinn gekommen, und da ist mir erst so richtig bewußt geworden, mit welch einer Macht menschliche Gefühle einen betören können. Eine derartige Schwäche ist in unserer Galaxie absolut einzigartig.«
Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. »Der Mensch in mir liebt dich, Cassy. Und ich freue mich riesig, daß ich imstande bin, dir Zutritt zu vielen Welten zu verschaffen. Ich wünsche mir sehr, daß du eine von uns werden möchtest.«
»Sie kommen nicht«, stellte Sheila fest. »So schwer es auch ist, sich damit abzufinden - ich fürchte, uns bleibt nichts anderes übrig.« Sie stand auf und streckte sich. Sie hatten die ganze Nacht nicht geschlafen.
Durch die Fenster der Hütte sahen sie, wie die Wipfel der Bäume auf der Westseite des Sees von der Morgensonne angestrahlt wurden. Über der Wasseroberfläche waberte dichter Nebel, den die höher steigende Sonne bald verdunsten würde.
»Und wenn sie nicht wiederkommen«, fügte Sheila hinzu, »sollten wir von hier verschwinden, bevor wir ungeladenen Besuch bekommen.«
Pitt und Jonathan antworteten nicht. Sie saßen blicklos auf einem Sofa. Totale Erschöpfung, Unglaube und Kummer standen ihnen ins Gesicht geschrieben.
»Wir haben keine Zeit, groß zu packen«, fuhr Sheila fort. »Aber wir sollten auf jeden Fall alle Daten und die Gewebekulturen mitnehmen, in denen hoffentlich ein paar Virionen entstehen.«
»Was ist mit meiner Mutter?« fragte Jonathan. »Und mit Cassy und Jesse? Was ist, wenn sie zurückkommen und uns suchen?«
»Die Diskussion hatten wir doch schon«, erwiderte Sheila. »Machen wir es uns nicht noch schwerer als es sowieso schon ist.«
»Ich finde auch, wir sollten hierbleiben«, erklärte Pitt. Die Hoffnung, Cassy wiederzusehen, hatte er inzwischen aufgegeben, doch er hielt es durchaus für möglich, daß Nancy und Jesse noch auftauchten.
»Jetzt hört mal zu, ihr beiden!« sagte Sheila. »Vor zwei Stunden haben wir uns darauf geeinigt, daß wir bis zur Dämmerung warten. Inzwischen ist es hell. Je länger wir bleiben, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß wir entdeckt werden.«
»Aber wohin sollen wir fahren?« fragte Pitt.
»Keine Ahnung«, erwiderte Sheila. »Es wird uns schon etwas einfallen. Los jetzt! Wir müssen packen!« Pitt erhob sich mühsam vom Sofa und sah Sheila an. An seinem Blick war zu erkennen, wie sehr er litt. Sheila wurde weich ums Herz. Sie ging zu ihm und nahm ihn in die Arme.
Plötzlich sprang Jonathan auf und stürzte sich auf seinen Laptop. Er öffnete ihn und tippte schnell drauflos. Dann schickte er seine Nachricht raus und starrte gespannt auf den Bildschirm. Ein paar Minuten später kam die Antwort.
»Es gibt eine Neuigkeit!« rief er Sheila und Pitt zu. »Ich habe Kontakt zu Dr. M aufgenommen. Er hat seine Meinung geändert. Er ist bereit, sich mit uns zu treffen. Was
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