Grünes Gift
Sie rannten eine Metalltreppe hinunter und dann einen langen Flur entlang, an dessen Ende eine Tür nach draußen führte. Neben der Tür hingen gelbe Regenmäntel mit Kapuzen. Hektisch warf Jesse jedem einen Mantel zu. Während sie in die Mäntel schlüpften, wollte Cassy wissen, wen er gesehen habe.
»Den Polizeichef«, erwiderte Jesse. »Und ich weiß mit absoluter Sicherheit, daß er einer von ›ihnen‹ ist.«
Wieder tippte er eine Kombination ein und öffnete die Tür. Die vier traten hinaus auf das Rollfeld und standen direkt unter der Gangway, die zu Flugsteig Nummer 5 führte. »Sehen Sie den Gepäckschlepper da drüben?« fragte Jesse und zeigte auf ein Gefährt, das wie ein kleiner Traktor aussah und hinter dem fünf Gepäckwagen hingen. Bis zu dem Fahrzeug waren es etwa zwanzig Meter. »Wir gehen jetzt ganz lässig da rüber. Man kann uns nämlich von den Fenstern aus beobachten. Sobald wir dort sind, setzt sich jeder auf einen der Gepäckwagen. So Gott will, gelingt es uns damit, nach Terminal A zu fahren.«
»Aber unser Auto steht doch vor Terminal C«, wandte Pitt ein. »Wir lassen das Auto stehen«, entgegnete Jesse. »Wie bitte?« fragte Jonathan entsetzt. Immerhin war es der Wagen seiner Eltern.
»Du hast richtig gehört. Das Auto bleibt stehen. Los jetzt!« Sie erreichten den Gepäckzug ohne weiteren Zwischenfall. Obwohl sie alle versucht waren, zu den Fenstern hinaufzusehen, widerstanden sie und starrten stur geradeaus. Während Cassy, Pitt und Jonathan jeder auf einen der Wagen stiegen, startete Jesse bereits den Motor. Sie waren froh, daß Jesse ihnen den Weg wies und keinen Widerspruch duldete. Als der Gepäckzug sich wie eine Schlange windend auf Terminal A zusteuerte, seufzten sie erleichtert auf. Sie passierten ein paar Flughafenarbeiter, erregten aber keinerlei Aufsehen. Ohne irgendwem aufzufallen, erreichten sie Terminal A. Wenige Minuten später standen sie draußen vor der Ankunftshalle und warteten auf den Flughafenbus. »Wir fahren mit dem Bus bis ins Zentrum«, sagte Jesse. »Dann hole ich mein Auto.«
»Und was ist mit dem Wagen meiner Eltern?« fragte Jonathan. »Darum kümmere ich mich morgen«, erwiderte Jesse. In diesem Augenblick donnerte ein Flugzeug über sie hinweg. »Das müssen sie gewesen sein«, brüllte Jonathan, als der Lärm allmählich nachließ.
»Jetzt können wir nur noch hoffen, daß man ihnen in Atlanta zuhört und ihnen glaubt«, erklärte Pitt.
»Das müssen sie«, sagte Cassy. »Es könnte unsere einzige Chance sein.«
Beau hatte die schönste Suite in dem palastartigen Haus für sich selbst reserviert. Sie verfügte über einen Balkon mit Blick über die Terrasse und den Swimmingpool. Die Balkontür stand einen Spalt offen und ließ einen Hauch der milden nächtlichen Brise herein. Die Papiere auf dem Schreibtisch raschelten leise. Randy Nite und ein paar andere Mitarbeiter saßen bei ihm; sie resümierten, was sie an diesem Tag geschafft hatten.
»Ich bin wirklich sehr zufrieden«, stellte Randy fest.
»Ich auch«, stimmte Beau ihm zu. »Es könnte gar nicht besser laufen.« Dann fuhr er sich mit der Hand durchs Haar und betastete mit den Fingern die Stelle hinter seinem rechten Ohr, an der sich seine Haut verändert hatte. Er kratzte leicht darüber. Es fühlte sich gut an.
Das Telefon klingelte. Einer von Randys Assistenten nahm ab. Nachdem er ein paar Worte mit dem Anrufer gewechselt hatte, reichte er Beau den Hörer.
»Captain Hernandez«, begrüßte Beau seinen Gesprächspartner fröhlich. »Schön, daß Sie anrufen.« Randy versuchte aufzuschnappen, was der Captain wollte, doch er konnte nichts verstehen.
»Dann sind sie jetzt also auf dem Weg nach Atlanta«, stellte Beau fest. »Ich bin sehr froh, daß Sie uns informiert haben. Aber ich versichere Ihnen - Sie müssen sich keine Sorgen machen.«
Beau beendete das Gespräch, behielt den Hörer jedoch in der Hand und wählte eine andere Nummer. Nachdem es ein paarmal geklingelt hatte, sagte er in den Hörer: »Hallo, Dr. Horn, hier ist Beau Stark. Die Gruppe, von der ich Ihnen heute erzählt habe, ist in diesem Moment auf dem Weg nach Atlanta. Ich gehe davon aus, daß sie morgen bei Ihnen auftauchen. Bitte verfahren Sie wie besprochen.« Dann legte er auf.
»Könnten sie uns womöglich Ärger bereiten?« fragte Randy. Beau grinste. »Natürlich nicht. Eine dumme Frage.«
»Glauben Sie wirklich, daß es klug war, diese Cassy Winthrope einfach gehen zu lassen?« bohrte Randy
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