Grünmantel
mal«, fuhr der andere Bursche dazwischen. »Heute abend bist du mit mir ...«
»Reg dich ab, Max, okay?« Steve grinste den größeren Mann an und warf ihm ein Glasfläschchen zu. »Hier geht’s doch nur um ’n Anruf und um nix anderes, richtig, Earl?«
»Genau.«
Steve nickte. »Also probier den Nasenzucker da und spiel ’n bißchen mit Pam. Lisa ist schneller wieder zurück, als sie mit ’m Arsch wackeln kann.«
Lisa schlenderte zur Tür und zog dabei ihre Lederkombination an. »Haste ’nen fahrbaren Untersatz?« fragte sie, als sie mit Earl und Steve nach draußen trat.
»Kann man nicht mehr so nennen. Wir sind mit dem Toyota da gekommen, aber der ist hinüber. Vermutlich ’n Kolbenfresser. Der Motor qualmt.«
»Steve?« Lisa drehte sich zu ihm um. Steve warf ihr einen Schlüsselbund zu. »Nimm den Honda.« Und zu Earl: »Du reitest uns doch nicht in irgend ’ne Scheiße rein?«
Earl schüttelte den Kopf.
»Ist da vielleicht was drin für mich? Brauchst du noch ’n paar Leute?«
»Ich weiß erst mehr, wenn ich den Anruf gemacht habe.«
Steve grinste. »Okay. Du hast sowieso noch was gut bei mir.«
»Ich weiß«, knurrte Earl.
Das Grinsen in Steve’s Gesicht war wie weggewischt, doch Earl bemerkte es nicht. Er hatte sich schon umgedreht und folgte Lisa zum Wagen. Steve blieb draußen stehen, bis die Rücklichter des Honda verschwunden waren. Dann ging er wieder hinein. Vielleicht konnte er ’n paar Informationen aus dem Burschen rausholen, den Earl hier bei ihm zurückgelassen hatte. Als er die Tür hinter sich schloß, kam Sherry gerade aus dem Bad.
»Wie geht’s ihm?«
»Er wird’s überleben. Die Kugel hat nur das Muskelgewebe durchschlagen und den Knochen verpaßt. Trotzdem müßte die Wunde im Krankenhaus genäht werden.«
»Ich hab ’ne Nadel und Garn.«
»Laß den Unsinn, Steve. Das ist nicht das Zeug, das ich ...«
»Kein Krankenhaus, Sherry. Zu viele Fragen ... kapiert?«
»Klar doch.« Aber sie schien nicht besonders glücklich darüber.
»Also wirst du ihn hier nähen?«
»Hier, Sherry.« Max warf ihr das Glasfläschchen mit Kokain zu. »Vielleicht stärkt das ’n bißchen deine Nerven.« Er und Pam lachten.
Steve nahm Sherrys Arm und drängte sie zum Bad. »Ich helfe dir ’n bißchen dabei.«
Nachdem er Mally bei dem Stein zurückgelassen hatte, war Lewis schnurstracks nach Hause gegangen und saß dort lange im Dunkeln. Schließlich zündete er die Lampe an und trat zu den Bücherregalen, wo er die Titel studierte. Da stand Trembling of the Veil von Yeats direkt neben theosophischen Klassikern wie Annie Besants The Ancient Wisdom und Mundys I See Sunrise . Da gab es Bücher von Madame Blavatsky, Raymond Buckland, Israel Regardie, Robert Graves, T. C. Lethbridge, Eliphas Levi, W. B. Crow und Charles Williams. Auch zeitgenössische Schriftsteller wie Colin Wilson und E. S. Howes waren vertreten.
Die Themeninhalte reichten von den Fiji-Feuerläufern bis zu den Römern, von den Freimaurern bis zu den Rosenkreuzern, von Jung bis zum Spiritismus. Alle Mysterien waren hier beschrieben, doch blieb es dem Leser vorbehalten herauszufinden, welcher der vielen tausend Bände ein Körnchen Wahrheit enthielt und welcher reine Quacksalberei übermittelte.
Lewis blieb vor dem Regal mit Büchern von Aleister Crowley stehen. Er dachte an den Hirsch und sein Mysterium und versuchte dieses Wunder mit den armseligen Darstellungen von Crowley zu vergleichen. ›Tu, was du willst; das ist dein einziges Gesetz‹ - dies war dessen grundlegende Regel für das Tier im Menschen. Er hatte dabei Anleihen von Rabelais und William Blake gemacht, ihnen aber eine neue Resonanz vermittelt, sozusagen eine Nietzsche-Moral. Nur die Starken sollten überleben. War das nicht das Gesetz der Natur, die natürliche Auslese?
Lewis seufzte. Er nahm einen Band von Ackerly Perkin heraus und trug ihn zum Tisch. Er setzte sich, ließ aber das Buch ungeöffnet vor sich liegen.
Perkin war ein Zeitgenosse von Crowley gewesen - tatsächlich der ursprüngliche Besitzer eines großen Teils dieser Bibliothek. Er war daran schuld, daß der erste Schatten auf den Hirsch, das Flötenspiel und auf die Riten fiel, die beides an New Wolding banden.
›Der Mensch braucht Illusionen‹, begann dieser eine besondere Band von Perkins Journalen, ›denn ohne seine Illusionen ist der Mensch ein Nichts. Die Kraft der Illusionen wiederum hängt von der Stärke seines Willens ab. Je stärker der Wille, desto wahrscheinlicher
Weitere Kostenlose Bücher