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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
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abging«, meinte Broadway-Joe. »Tony wird nicht auspacken. Shit ... bei wem auch? Der erste Vetter, der ihn sieht, jagt ihm sofort ’ne Kugel zwischen die Augen.«
    »Du hast immer noch was für ihn übrig, was, Joe?«
    Broadway-Joe zuckte die Schultern. »Du bist der Boss, Ricca, das weißt du. Der alte padrone ist nicht mit der Zeit gegangen. Aber Tony - Jesus, er war immer so verdammt loyal, du weißt, was ich meine. Ist schwer, ’nen Mann mit so ’ner Hingabe heut noch zu finden. Ich meine, in Tonys Augen war die Familie seine Karriere, sein Leben.«
    Ricca nickte. »Sicher, ich weiß das alles. Trotzdem denke ich, wir sollten Louie hinschicken, um nachzusehen, wen Shaw da an der Angel hat. Halbe Sachen habe ich noch nie gemocht, capito? «
    »Zu dumm, daß wir Shaw nicht einsetzen können«, brummte Broadway-Joe.
    Ricca musterte seinen consigliere . »Und warum nicht? Mir gefällt der Gedanke. Dabei bleiben wir völlig aus der Schußlinie.«
    »Er ist verrückt. Wir haben uns seiner Dienste damals bei dem Miami-Deal bedient, den dein alter Herr über Tony abgewickelt hat, und jetzt brauchen wir ihn für den Koks-Deal, aber ich möchte nicht, daß wir in einen seiner Morde verwickelt werden. Er tötet aus Spaß, Ricca. Und er macht es nicht sauber genug. Wenn man uns nachweist, daß wir die Finger im Spiel haben, sollte er geschnappt werden ...«
    »Vor Gericht können sie uns nichts anhaben«, unterbrach ihn Ricca. »Er gehört ja nicht mal zu unseren Leuten.«
    »Angenommen, die Geschichte, wie unser padrone wirklich gestorben ist, fliegt auf? Angenommen, Tony packt aus, und Shaw bestätigt es? Den anderen Familien würde das gar nicht gefallen. Wenn wir Tony immer noch haben wollen, schicken wir meinen Jungen. Dann wissen wir wenigstens ganz genau, wie die Sache läuft. Und außerdem ist Louie immer noch sauer wegen der Geschichte auf Malta, das weißt du.«
    Ricca grinste. »He, es gibt wirklich gute Gründe, warum du immer noch consigliere bist, Joe. Du regelst das schon, okay? Auf die Art, die du für die beste hältst.«
    »Ich arrangiere ein Treffen zwischen Shaw und Louie«, brummte Broadway-Joe, zog das Telefon heran und wählte die Nummer, die Shaw ihm gegeben hatte.

    Er rannte. Die Hunde waren nun so nahe, daß er das Kratzen ihrer Pfoten auf dem Asphalt hörte. Er schaute sich nach ihnen um, wäre gern stehengeblieben, um sich mit gesenktem Geweih und feurigen Hufen zum Kampf zu stellen, doch er wußte, es waren zu viele. Er konnte nur laufen, und das war schon alles. Laufen, bis ihm das Herz in der Brust zu zerspringen drohte. Laufen, bis die Beinmuskeln zu sehr schmerzten, um ihn noch weiterzutragen. Laufen, bis die Zellen seiner Lunge brannten und das Bellen der Meute seine Ohren erfüllte. Laufen, bis er stürzte.
    Seine Flanken waren schweißüberströmt. Schaum stand ihm vor dem Maul. Der Highway zog sich dahin, führte tiefer in das Land hinein. Und plötzlich stolperte er. Der Asphalt scheuerte seine Haut auf. Sofort waren die Hunde über ihm, ihre Zähne gruben sich in sein Fleisch, während er seine Hufe wie Dreschflegel umherwirbeln ließ.
    Doch es war zu spät. Ein Hund, größer als die anderen, verbiß sich in seine Kehle, und er ...
    ... erwachte schreiend.
    Er saß aufrecht im Bett. Neben ihm tastete Brenda nach dem Lichtschalter.
    »Lance, bist du ...?«
    »Alles okay«, sagte er und schwang die Beine aus dem Bett. Der Pyjama klebte ihm am Körper. »Mir geht es gut. Keine Sorge.«
    Außer daß diese verdammten Hunde ihn diesmal zur Strecke gebracht hatten.
    »Wohin gehst du?«
    »Ich habe draußen noch was zu erledigen.« Lance stieg in seine Arbeitsstiefel und trat zum Schrank. Er nahm seine Schrotflinte heraus und überprüfte die Ladung. Leer. Er zog die oberste Schublade der Ankleide auf und tastete zwischen Unterhosen und Socken herum, bis er die Schachtel mit den Patronen fand. Rasch lud er das Gewehr.
    »Lance, was machst du da?«
    Er drehte sich um und sah sie an. Sie erstarrte am Kopfende des Bettes. Seine Augen sahen mehr als nur sie und das Schlafzimmer.
    »Lance ...?« sagte sie leise.
    Er schaute beiseite, hörte immer noch das Hecheln und Bellen der Meute und stieg mit schweren Schritten die Treppe nach unten. Brendas Hände verkrampften sich in den Laken, bis die Knöchel weiß wurden. Sie hörte, wie die Hintertür ins Schloß fiel, und stellte sich vor, wie Lances Stiefel durch den Schmutz schlurften. Vor Furcht vergrub sie das Gesicht im Kissen. Es schien, als

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