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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
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wird er herrschen, denn die anderen Menschen werden sich um den scharen, dessen Illusionen am stärksten sind.‹
    Dies war eine umsichtige Annäherung an Crowleys Behauptungen, doch während das Tier im Mensch sich dem magischen Gebrauch von Sex und Drogen wie beispielsweise dem Meskalin verschrieb, hob Perkin von der Realität ab und suchte seine. Illusionen eher im Mikrokosmos als auf der Welt. Was er dort fand, verstärkte nur noch seinen Glauben an die Notwendigkeit der Illusion.
    Als ihm die Bedeutung des Flötenspiels, des Obelisken, der Riten und Tänze klar wurden und er sah, wozu sie aufriefen, bot er seinen ganzen Einfluß auf, um seine eigenen Illusionen gegen die eine ins Feld zu führen, die die Dörfler bewahrten. Doch während er allen Menschen ihre Illusionen zugestand, ließ er es nicht zu, daß sich diese Illusionen in dieser Welt manifestierten. Eine solche Sache durfte nicht möglich sein. Wenn sie doch irgendwie möglich sein sollte, dann war er dazu bestimmt, dafür zu sorgen, daß sich als einzige Illusionen seine eigenen manifestierten.
    Als Lewis herauszufinden versuchte, warum Perkin das getan haben mochte, fand er in all den Journalen nur eine einzige Erklärung: Perkin hatte getan, was er tat, weil er es tun konnte. Weil er nämlich daran glaubte, alles sei Illusion.
    ›Was ist illusorischer?‹ fragte er in einem Eintrag. ›Illusionen, die auf einem Glauben fußen, oder solche, die auf begründetem Unglauben basieren?‹ An diesem Punkt endeten die Journale, und Perkin nahm wieder das Wanderleben auf, das er gelebt hatte, ehe er ins Lanark County gezogen war, und ließ die gesamte Bibliothek in seinem alten Haus zurück.
    Mally war ungefähr zu dieser Zeit zum ersten Mal aufgetaucht, und sie war es auch gewesen, die dem damals noch jüngeren Lewis geholfen hatte, alle diese Bücher in seine Hütte nach New Wolding zu transportieren. »Der Dunkle Mann wird nicht zurückkommen, um sie zu holen«, erklärte sie Lewis. »Er hat seinen Gott gefunden, den Krieg. Er hält ihn für eine vernünftige Übung - oder für die größte aller Illusionen. Aber was immer er darin auch sieht, er kommt nicht zurück.«
    Oft genug hatte Lewis sich verwünscht, je eins von Perkins Büchern gelesen zu haben - besonders jene, die Perkin selbst verfaßt hatte. Vor dieser Lektüre war Lewis ein einfacher Mensch gewesen, zufrieden mit dem, was er besaß. Doch als Vera starb und Edmond seinem Elternhaus den Rücken kehrte, hielten ihn einzig und allein die Bücher aufrecht. Sie füllten die Leere in seinem Innern so sehr mit Fragen, daß er manchmal die Antworten überhaupt nicht mehr wissen wollte.
    Dann wünschte er sich, zu dem einfachen Glauben zurückkehren zu können, den er einstmals mit den anderen Dorfbewohnern geteilt hatte, aber dafür war es viel zu spät - wie es auch für den Fortbestand des Dorfes zu spät war. Jetzt gab es nur noch vier Leute hier, die unter zwanzig Jahre alt waren. Die alten Leute waren alle gestorben, und die Jüngeren verschwanden einer nach dem anderen in die Welt draußen, suchten nach ... Illusionen, wie er annahm.
    Als er damals seinen eigenen Sohn fragte, warum er fortging, hatte Edmond geantwortet: »Hier gibt es nichts mehr für mich.« Darauf hatte Lewis keine Antwort gewußt. Er hatte heute noch keine.
    Lewis blätterte die Seiten durch und schloß das Buch mit einer heftigen Bewegung. Wenn die Hunde, die den Hirsch hetzten, Perkins Kreaturen waren, wenn sie seine Illusionen waren, wieso waren sie dann immer noch hier - fünfzig Jahre nachdem Perkin fortgegangen war?
    Lewis empfand Angst vor der Antwort. Er fürchtete nämlich, daß er selbst durch die Übernahme von Perkins Büchern, durch sein Grübeln über ihre zahllosen Irrlehren sowie die Weisheiten und Dummheiten, die sie enthielten, die Hunde am Leben erhielt. Daß sie dem Dunkel seiner eigenen Seele entsprangen, um den Hirsch zu jagen. Denn war dies nicht genau das, wonach alle Verfasser dieser Bücher suchten? Nicht nach dem Mysterium selbst, sondern nach einer Methode, es festzuhalten, es zu beherrschen und zu bemessen, es auseinanderzupflücken, um zu sehen, was es in Gang hielt.
    Er hatte Mally einmal darauf angesprochen, wobei er genau wußte, daß seine eigene Suche ihn nicht besser machte als diese Schreiberlinge.
    »Du bist mit dem, was du tust, nicht allein«, hatte sie geantwortet, als wolle sie seine schlimmste Befürchtung noch bestätigen.
    »Dann bin also ich tatsächlich schuld und für alles

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