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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
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würde er auf der Couch schlafen müssen.
    Er hoffte nur, daß sie nicht in noch größere Gefahr gerieten, wenn sie bei ihm blieben. Aber es war ja nur für eine Nacht. Am Morgen würde er sie hoffentlich davon überzeugen können, für eine Woche oder so eine kleine Reise zu unternehmen, bis die Sache hier in der einen oder anderen Richtung entschieden war. Um sicher zu sein, brauchten sie bestimmt nicht allzuweit zu fahren. Australien müßte eigentlich reichen.
    »Wo ist Ali?« Frankie sah sich suchend im Wohnzimmer um.
    »Sie schläft im Gästezimmer. Sie können heute nacht in meinem Zimmer schlafen.«
    »Nein. Wir wollen Ihnen doch nicht lästigfallen.«
    »Sie sind mir nicht lästig, Frankie. Ich bin froh, daß ich Ihnen diesen Gefallen tun darf.«
    Sie sah ihn mit müdem Blick an. Ihr Gesicht war gezeichnet von den Strapazen dieses Tages. Und nun auch noch dies. Doch Valenti sah sofort, daß sie nicht aufgab. Er wußte nun genau, welchem ihrer beiden Elternteile Ali nachgeraten war. Nur mit Anstrengung widerstand er dem plötzlichen Drang, die Frau vor sich in die Arme zu nehmen. Verdammt, was war denn nur los mit ihm?
    »Setzen Sie sich doch. Einen Drink?«
    Frankie schüttelte den Kopf. »Vielleicht nur einen Tee?«
    »Schon unterwegs.« Zum zweiten Mal an diesem Abend fand er sich mit einem weiblichen Mitglied der Treasure-Familie in seiner Küche wieder.
    »Kann ich Ihnen helfen?« fragte Frankie.
    Valenti lächelte. »Sicher. Der Tee steht im zweiten Fach dort im Schrank rechts - neben dem Kakao.«
    »Kakao?«
    Valenti hörte den Unterton in ihrer Stimme und stellte die Teekanne wieder weg. Er trat zum Kühlschrank und nahm die Milch heraus. Sah ganz so aus, als seien die beiden Treasures süchtig nach Schokolade.

    Eine halbe Stunde und einen großen Becher Kakao später brachte Valenti seinen Gast zu seinem Schlafzimmer und ging wieder nach unten. Im Wohnzimmer setzte er sich vor das erlöschende Kaminfeuer und dachte über die Situation nach.
    Das unmittelbarste Problem war Shaw - wie schnell er anrufen, wie schnell Ricca seine soldati ausschicken würde. Aber da waren noch diese seltsamen Vorkommnisse. Das wilde Mädchen, das Ali und er gesehen hatten. Die Musik. Der Hirsch. Auch da tat sich irgendwas. Doch welche Schwierigkeiten von dieser Seite drohten, konnte Valenti nicht abschätzen. Er hatte nur das Gefühl, daß die wirklich seltsamen Dinge noch nicht einmal begonnen hatten.
    Nach einer Weile legte er sich auf das Sofa, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und dachte nach, wartete darauf, daß Shaw selbst, Ricca’s Leute oder die Männer auftauchten, die Mario ihm versprochen hatte. Schlaf durfte er sich in einer solchen Situation nicht gönnen.
    Wenig später erhob er sich und legte Alis Kassette in das Abspielgerät, drehte aber den Ton so leise, daß Ali und ihre Mutter nicht gestört wurden. Die Musik brachte ihm einige Entspannung, und er dachte darüber nach, wie es wohl gewesen wäre, wenn statt Shaw Frankie und er selbst vor vielen Jahren zusammengetroffen wären.
    Zu seinem Leidwesen mußte er sich eingestehen, daß er für sie wohl kaum eine bessere Wahl gewesen wäre als Shaw. Zwar schlug er keine Frauen oder ähnliches, doch waren er und Shaw im selben Geschäft tätig, und in einem solchen Business waren engere Beziehungen zu Außenstehenden kaum möglich - selbst dann nicht, wenn man versuchte, sich davon zu lösen. Verdammt, er selbst war doch das beste Beispiel: Vor zwei Jahren hatte er sich zurückgezogen, und jetzt fing alles wieder von vorn an.
    Zum Schluß der Kassette verspürte er in seinem Innern eine bittere Süße, doch er war wachsam und bereit für alles, was da kommen mochte. Er stand auf und drehte eine Runde um das Haus. Doch außer einigen Insekten rührte sich nichts. Er ging wieder hinein und trank einen Cappuccino, während er die Bücher durchblätterte, die Ali mitgebracht hatte. Schließlich entschied er sich für die Anleitung zum richtigen Entdecken und Beobachten der Natur und begann zu lesen.

KAPITEL VIERZEHN
    In dieser Nacht lief der Hirsch sehr weit. Wie immer durch Tommys Flötenspiel vom Wold Hill ausgeschickt, brachte ihn die Begegnung mit Ali und Valenti, Earl Shaw und Howie Peale dazu, weiter durch Feld und Wald zu rennen als je zuvor. Wie ein Herbstwind brauste er durch Lanark County, über Felder und Höfe hinweg, wo er die schlafenden Hunde aus ihren Jagdträumen riß und sie hinter dem geisterhaften Wind herbellen ließ, den Highway 1

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