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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
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Pfad steiler und verschwand wieder im Wald.
    Das muß der Snake Lake Mountain sein, dachte Valenti. Er rief sich die Karte ins Gedächtnis und wollte sich schon umdrehen, um einen Blick auf den See zu werfen, der zu seiner Rechten liegen mußte, als der Alte, der ihnen zugewunken hatte, um das Haus herumkam.
    Auf Bannons Bemerkung hin nahm Valenti seine Kleidung genauer in Augenschein. Wie die Hose des Jungen war auch die des Alten aus grober Wolle, und er trug ebenfalls ein Hemd ohne Kragen unter einer Tweedweste. Die Schuhe waren ausgetreten und verschlissen. Während er den Mann musterte, sein weißes Haar und das faltige Gesicht betrachtete, wurde Valenti bewußt, daß alles an ihm alt war.
    Er warf seinen Begleitern einen Blick zu. Offenbar schienen sie darauf zu warten, daß er den ersten Schritt tat. Valenti nickte, ging lächelnd auf den alten Mann zu und streckte ihm die Hand entgegen.
    »Mein Name ist Tony Garonne«, sagte er. »Sie sind bestimmt Tommy, oder ...?« meine Güte, dachte er, wir kennen nicht mal seinen Nachnamen. Das störte Valenti, denn er behandelte ältere Menschen immer mit dem Respekt, den sie verdienten, und dazu gehörte auch, daß man sich keine Vertraulichkeiten erlaubte, wenn sie einem nicht zuvor gestattet worden waren.
    Der alte Mann ergriff lächelnd Valentis Hand. »Ich bin nicht Tommy. Mein Name ist Lewis Datchery. Willkommen in New Wolding.« Sein Händedruck war fest.
    Bannon trat vor und schüttelte dem Alten ebenfalls die Hand. »Tom Bannon«, stellte er sich vor.
    »Sie sind neu in der Gegend, stimmt’s?« fragte Lewis.
    Bannon warf einen Blick zu Valenti hinüber und nickte. »Ja, ich bin für eine Woche zu Besuch bei Tony.«
    »Und wer bist du?« Dabei sah Lewis Ali in die Augen.
    »Ich heiße Ali - mit vollem Namen Ali Treasure. Aber jeder nennt mich einfach nur Ali.« Auch sie schüttelte die Hand des Alten. Sie fühlte sich trocken und ledern an. »Sie wußten, daß wir kamen, richtig?« fügte sie hinzu.
    »Ja - ja, das stimmt.«
    »Hat Mally es Ihnen verraten?«
    »Richtig. Also bist du dem kleinen Wildfang schon begegnet, nicht wahr?«
    Ali nickte. Alle schwiegen, bis die Stille ungemütlich wurde. Weder Ali noch Valenti wußten so recht, wie sie beginnen sollten, während Bannon sich zurückhielt.
    »Trinken Sie gern Tee?« fragte Lewis plötzlich. Als alle nickten, lächelte er. »Schön, dann gehen wir doch hinein, und während ich den Wasserkessel aufsetze, finden wir heraus, was Sie heute hierhergeführt hat.«
    Damit ging er zum Eingang und hielt einladend die Tür auf. Ali ergriff Valentis Hand und ließ ein ehrfürchtiges »Du meine Güte!« hören, als sie die Regale voller Bücher entdeckte.
    »Wie lange wohnen Sie hier schon, Mister Datchery?« fragte Valenti.
    »Schon sehr, sehr lange. Und bitte - nennen Sie mich doch Lewis. Wir geben hier nicht viel auf Formalitäten.«
    Geschäftig füllte er den Kessel aus einem Wasserbehälter, schaute nach dem Feuer im Herd und setzte den Kessel auf. Nachdem er ein weiteres Holzscheit nachgelegt hatte, setzte er sich an den Tisch und bedeutete den anderen, ebenfalls Platz zu nehmen.
    »Also, was führt Sie nach New Wolding?« fragte er.
    »Nun, das ist nicht so leicht zu erklären«, begann Valenti und überlegte gleichzeitig, in welche Richtung er das Gespräch lenken sollte. »Sie leben hier ziemlich zurückgezogen, nicht wahr?«
    Lewis nickte. »Wir haben nicht viel mit der Außenwelt zu tun. Was wir zum Essen brauchen, bauen wir selbst an, und die wenigen Dinge, die wir sonst benötigen, bringen uns die Zigeuner.«
    Sofort dachte Valenti an den Kombi und seine Insassen. Das erklärte auch ihr seltsames Aussehen. Er hätte es eigentlich wissen sollen, denn in New York war er häufiger Zigeunern begegnet. Aber manchmal erkannte man die Zusammenhänge eben nicht sofort.
    »Warum?« fragte er.
    Erstaunt sah Lewis ihn an. »Warum was?«
    »Was machen Sie hier? Sind Sie eine Sekte, eine Gemeinschaft wie die Mormonen oder die Amish? Ich meine, leben Sie hier wegen ... andersartiger religiöser Anschauungen oder ...?« Er verstummte, als ihm bewußt wurde, wie dumm seine Frage klingen mußte. »Es tut mir leid. Ich wollte Ihnen mit meiner Neugier nicht zu nahe treten. Ich weiß, uns geht es nichts an, was Sie hier tun, aber wir leben nun mal in der Nachbarschaft, zumindest Ali und ich. Wir haben Dinge gehört und ...« Wie sollte er den Hirsch erklären? »Da ist diese Musik, verstehen Sie, was ich meine? Wir hören

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