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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
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An diesem frühen Nachmittag unterschied sich das Anwesen trotz des wolkenverhangenen Himmels kaum von vielen anderen. Teufel, wieso auch? Es war ja nicht das Haus, sondern irgendwas in den Wäldern dahinter, das seine Nerven strapazierte.
    Er überlegte, was das sein konnte. Er hatte sein ganzes Leben in dieser Gegend verbracht und nie die leiseste Andeutung über merkwürdige Vorkommnisse gehört. Dort drüben gab es doch nur dichte Gehölze und Marschland. Trotzdem wurde er das Gefühl nicht los, daß in diesen Wäldern irgend etwas auf ihn wartete.
    Lange saß er dort und lauschte in die Leere. Niemand kam an seinem Wagen vorbei, und in dem Haus vor ihm regte sich nichts.
    Hier ist nichts, sagte er zu sich selbst, beugte sich vor und startete den Motor. Hustend erwachte er zum Leben, sein Brummen hallte laut durch die Stille. Ich werde wiederkommen, sagte er zu sich selbst. Aber erst mußte er Dooker finden. Ein Mann sollte nicht ohne seinen Hund durchs Unterholz kriechen.
    Und, Dooker liebte nichts mehr als einen langen Auslauf im Wald!
    Lance fuhr davon - zurück zu ihrem Lieblingsplatz, den er schon vorher kontrolliert hatte. Bestimmt wartete Dooker am Bach auf ihn. Doch als er dort eintraf, war von dem Hund nichts zu sehen. Er drückte auf die Hupe und rief den Namen des Tieres, bis ihm fast die Stimme versagte.
    Der Hund ist nicht hier, sagte er sich schließlich. Und zwar deswegen nicht, weil der verdammte Köter tot war. Er hatte das arme Vieh doch letzte Nacht eigenhändig erschossen.
    Ihm schossen Tränen aus den Augen, und der Schmerz nahm ihm fast den Atem. Er legte sich ins Gras und starrte in die Bäume hinauf, deren Zweige sich auf fast hypnotische Weise im leichten Wind bewegten. Wie ein heimlicher Dieb kroch allmählich die Müdigkeit in ihm hoch.
    Sein Schlaf war traumlos und fest. Die eine Hand auf der Brust hatte er zur Faust geballt, mit der anderen streichelte er im Schlaf das Gras an der Stelle, auf der Dooker neben ihm gelegen hätte - wäre er noch am Leben gewesen.

KAPITEL SIEBEN
    Lewis, der von Mally vorgewarnt worden war, erwartete sie schon. Sie war vor seiner Hütte kurz zu einem rätselhaften »Sie kommen!« stehengeblieben und dann sofort im Wald verschwunden.
    Wer kam? fragte er sich und trat aus seiner Hütte. Jango Gry und seine Leute? Für sie war es noch zu früh. Lewis schaute den Hügel hinauf zu der Stelle, wo der Pfad aus der äußeren Welt den Wald verließ und sich auf das Dorf zuschlängelte. Als er die drei Gestalten dort oben bemerkte, wurde ihm klar, daß Mally nicht die Zigeuner gemeint hatte. Er nahm die Brille ab, beschattete die Augen mit der Hand und sah den Fremden entgegen. Keinen davon hatte er je zuvor gesehen, kannte aber trotzdem zwei von ihnen.
    Er winkte, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Sie erwiderten das Zeichen. Er hockte sich auf seinen Hauklotz und sah ihnen entgegen. Er wollte mit ihnen reden und fragte sich, was sie wohl über ihre Entdeckung dachten.

    »Da versucht jemand, sich uns bemerkbar zu machen«, meinte Bannon, als sie den Hang hinuntergingen.
    Ali blinzelte, konnte aber nur das weiße Haar der Gestalt vor der Hütte ausmachen. »Schade, daß ich mein Fernglas nicht mitgenommen habe.«
    »Was mag er von uns wollen?« fragte Valenti.
    »Vielleicht ist es dieser Tommy«, meinte Ali.
    Bannon nickte. »Könnte sein. Könnte auch jeder andere sein. Wer er auch ist - er scheint uns jedenfalls erwartet zu haben.«
    Sie folgten dem Pfad zum Dorf hinunter. Kurz vor den ersten Gebäuden gabelte er sich erneut. Die eine Abzweigung führte zu den Hütten, die andere nach links zu dem Mann, der ihnen zugewunken hatte. Zwischen ihnen und der Hütte des Alten lag nur noch ein Haus. Auf den Stufen vor dem Eingang saß eine Frau in mittleren Jahren und betrachtete ausdruckslos die Ankömmlinge. Ein Junge von etwa zehn Jahren hielt beim Heumähen inne und schaute ebenfalls zu ihnen herüber.
    »Scheinen ja wirklich nette Leute zu sein«, flüsterte Ali ironisch, als sie vorbeigingen.
    Valenti nickte. Weder die Frau noch der Junge hatten ihren freundlichen Gruß erwidert.
    »Habt ihr gesehen, was die hier tragen?« fragte Bannon und fuhr fort, als Ali und Valenti die Köpfe schüttelten: »Wie altmodisch ihre Kleider sind. Ich kann mich noch erinnern, daß meine Großmutter solche schwarzen Baumwollkleider wie die Frau da trug, und die Wollhose und das kragenlose Hemd waren dem Jungen viel zu groß.«
    Sie erreichten die letzte Hütte. Dahinter wurde der

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