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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
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zusammen. Aber vielleicht bin ich auch schon verrückt. Ich weiß es nicht.«
    »Das glaube ich nicht«, erwiderte Valenti, »denn ich empfinde genauso. Außerdem höre ich die Musik schon viel länger als du. Aber dann spreche ich mit Tom darüber, und er sagt, das alles ist nur ’n großer Haufen Bockmist, und auch das ergibt einen Sinn. Ich meine, wieso sollte das, worüber Mister Datchery spricht, Wirklichkeit sein?«
    Ali seufzte. »Ich weiß es nicht. Was wird deiner Meinung nach heute abend an diesem Stein geschehen?«
    »Ich denke schon die ganze Zeit darüber nach.«
    »Und du glaubst nicht, daß diese Leute hier zu einem ... einem Kult oder so was gehören?«
    Valenti zuckte die Schultern. »Der Gedanke ist mir auch schon gekommen.«
    »Meine Mom kannte mal einen Kerl, der behauptete, ’ne Hexe zu sein - nicht eine, die auf ’nem Besenstiel reitet und die Leute verhext oder so was, sondern es war ’ne Art Religion. Ich habe mich ’n paarmal mit ihm unterhalten, aber da war ich noch sehr klein und hab nicht viel von seinem Gerede verstanden. Mama ist sehr wütend geworden, weil er mir alle diese Sachen erzählt hat.«
    »Was für Sachen?«
    »Ich habe viel darüber gelesen - später, als er nicht mehr zu uns gekommen ist. Bei Mom war er nicht mehr willkommen. Egal - ich erinnere mich noch gut, daß es da zwei Götter statt einem gab: die Mondgöttin und ihren Gemahl, den Gehörnten Mann, und das ist ...«
    »... genau das, was wir auch hier finden.«
    »Oder was Mister Datchery behauptet.«
    »Aber wir haben den Hirsch gesehen, Ali. Wir haben die Musik gehört. Normales Rotwild kommt nicht wie die Kavallerie herangeprescht, um ein paar Leuten zu helfen - wie etwa der Hirsch an jenem Abend.«
    Ali nickte. »Stimmt. Aber warum hat er das getan?«
    »Das ist die Frage. Vielleicht erfahren wir es heute abend.«
    »Möglich.« Ali dachte darüber nach. Sie wollte unbedingt zu dem Stein - um die Musik ganz aus der Nähe zu hören und zu erfahren, wovon Mister Datchery überhaupt sprach. Aber gleichzeitig hatte sie Angst. Wenigstens war Tony dabei. Und Tom. Sie würden schon aufpassen, daß ihr nichts zustieß. Aber wenn nun das, was geschehen würde, in ihrem Inneren vor sich ging? Die Musik hatte weder ihr Aussehen verändert, noch sprach oder dachte sie anders. Und trotzdem fühlte sie, daß in ihrem Innern irgend etwas geschehen war. Sie fragte sich, ob Mally am Abend dort sein würde, und merkte dann, daß dies noch ein Punkt war, über den sie nicht mit Lewis gesprochen hatten.
    »Der Regen läßt nach - genau wie es der alte Mann vorhergesagt hat«, bemerkte Valenti.
    »Tony, wir haben ihn noch nicht nach Mally gefragt.«
    »Stimmt, das haben wir vergessen.«

    »Sie sagt, sie ist schon immer hier gewesen«, meinte Lewis. »Und obwohl sie das Mysterium besser zu kennen scheint als jeder sonst, berührt es sie nicht in der Weise, wie es uns beeinflußt.«
    »Sie hat mir erzählt, sie sei ein Geheimnis.«
    Lewis nickte. »Das Geheimnis des Mondes - aber ich weiß nicht recht, was sie damit meint.«
    Sie saßen alle wieder um den Tisch herum. Bannon hatte einen Gedichtsband von Padraic Colum aufgeschlagen vor sich liegen. Das Buch schien ihn mehr zu fesseln als ihre Unterhaltung. Ali sah zu ihm hinüber und wunderte sich, daß jemand, der in Tonys früherem Gewerbe tätig war, sich so sehr für die irische Dichtung des frühen 20. Jahrhunderts interessierte.
    »Sie müssen verstehen«, fuhr Lewis fort, »daß Mally für mich ebenso ein Rätsel ist wie für Sie. Natürlich kenne ich sie viel länger als Sie. Aber während unserer Unterhaltungen hat sie nie direkt und offen etwas angesprochen, sondern redet immer nur in Andeutungen.«
    »Das weiß ich auch von den wenigen Begegnungen mit ihr«, nickte Ali.
    Lewis lächelte. »Und trotzdem vertraue ich ihr. Sie ist sehr gut zu mir gewesen und hat mir an so manchem Abend Gesellschaft geleistet. Sie läßt sich gern von mir vorlesen und bringt mir ab und zu seltsame Bücher, die sie angeblich ›findet‹.«
    »Sie hat Ihnen alle diese Bücher hier gebracht?« Bannon sah von seinem Buch auf.
    »Nein, nein. Nur ein paar davon. Auch mein Freund Jango hat welche ausgesucht und mir mitgebracht. Er kennt mein Interesse an solchen Dingen. Doch die meisten Bücher hier stammen aus der Bibliothek des Mannes, der das Haus baute, in dem du jetzt wohnst, Ali.«
    Ihr fiel wieder ein, was Mally einmal gesagt hatte. »Der ›Dunkle Mann‹?«
    Lewis nickte. »So nennt Mally

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