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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
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Straße in beiden Richtungen und überzeugte sich, daß er allein war. Dann fuhr er den Wagen rückwärts in den Wald.
    Der Transporter hatte ein hohes Chassis, und der Boden war hier noch nicht vom Regen aufgeweicht. Der Fahrer hatte wenig Mühe, sein Fahrzeug unter die Bäume zu lenken. Äste schabten über die Seiten, und der Wagen rollte über junge Setzlinge. Doch das kümmerte den Fahrer wenig. Als er weit genug von der Straße entfernt war, stellte er den Motor ab und stieg aus. Rasch ging er den Weg zurück und richtete die Setzlinge auf, die nicht von allein in ihre ursprüngliche Haltung zurückgefedert waren. Das gleiche versuchte er mit dem hohen Gras und den Weidenzweigen, was ihm aber hier nicht so gut gelang wie bei den kräftigeren Setzlingen. Doch als er schließlich die Wendespuren des Transporters am Straßenrand verwischt und ein Tarnnetz über den Wagen geworfen hatte, war das Fahrzeug von der Straße aus kaum noch zu sehen.
    Der Mann stand einige Augenblicke lang im Regen und begutachtete sein Werk. Er hatte kurzgeschnittene dunkle Haare und drei Tage alte Stoppeln im Gesicht. Eine dunkle Gestalt, deren düstere Erscheinung noch durch die wasserdichte schwarze Kleidung und die Schatten unter den Bäumen unterstrichen wurde.
    Er kletterte nochmals in den Wagen und kam kurz darauf mit einer Armbrust wieder heraus. Darauf war ein Zielfernrohr montiert, das er auf eine Amsel richtete, die in einer Zeder Schutz vor dem Regen suchte. Das Fernrohr holte den Vogel sehr nahe heran.
    »Peng!« sagte der Mann.
    Er legte die Armbrust auf den Boden und schlang einen Gürtel um die Hüften, an dem ein kleiner Köcher mit Pfeilen hing. Der Mann nahm seine Waffe auf und verschwand in Richtung von Tony Valentis Haus. Im nassen Unterholz verursachte er kaum ein Geräusch.

KAPITEL NEUN
    »Hast du verstanden, wovon der alte Mann dort drinnen gesprochen hat?« fragte Valenti Ali.
    Die beiden saßen draußen vor der Hütte auf den Stufen und schauten in den Regen hinaus. Das überhängende Dach bot ihnen Schutz. Im Innern blätterte Bannon in einem Buch, während der Alte am Tisch saß und Gott weiß was tat. Valenti konnte es nicht sagen. Der Alte saß nur dort und tat nichts. Vielleicht dachte er nur nach. Valenti und Ali waren hinausgegangen, um etwas frische Luft zu schnappen.
    »Wie geht’s deinem Bein?« fragte Ali.
    »Ist schon in Ordnung. Bei solchem Wetter habe ich immer Schmerzen.« Valenti sah sie an. »Aber du hast meine Frage nicht beantwortet.«
    Ali erwiderte seinen Blick! »Du liebe Güte, Tony, ich bin doch nur ein Kind. Was weiß ich schon über solche Dinge?«
    »Erzähl mir nicht so was!«
    »Okay.« Sie schwieg und klopfte sich den Staub von den Jeans. Dann sah sie wieder in den Regen hinaus. »Seine Worte haben mich verwirrt. Ich meine, diese alten Götter, die er erwähnt hat - ein paar sind Sonnengötter, ein paar so ’ne Art Jäger, andere wiederum ’ne Mischung aus beiden. Aber sie entstammen den unterschiedlichsten Mythologien und Kulturen.«
    »Du meinst, sie können nicht alle dieselben Götter sein?«
    Ali zuckte die Schultern. »Ich weiß zu wenig darüber. Ich bin doch wirklich noch ein Kind, Tony. Worüber dieser Mister Datchery da spricht, das ist ein Stoff, über den sich Studenten den Kopf zerbrechen müssen.«
    »Stimmt. Aber du liest sehr viel. Du bist sehr klug.«
    »Du etwa nicht?«
    »Ich bin doch bloß ein dummer Italiener«, neckte Valenti sie. »Was weiß ich schon?«
    »Na gut, ich habe schon begriffen.«
    »Also, was denkst du?«
    »Nun, ich weiß, daß es überall auf dem Erdball Ähnlichkeiten auf diesem Gebiet gibt. Und was das Christentum betrifft - es hat wirklich vieles aus anderen Kulturen entlehnt. Ostern findet zur gleichen Zeit wie das Frühjahrs-Äquinoktium statt - wenn Tag und Nacht gleich lang sind -, und auch die Sache mit den Ostereiern gründet sich auf heidnische Fruchtbarkeitsriten. Sogar für die Kreuzigung Christi findet man Parallelen in anderen Kulturen. Der nordische Gott Baldur wurde auch an einen Baum genagelt.«
    »Was du nicht sagst!«
    Ali nickte. »Daher verstehe ich so halbwegs, worauf Mister Datchery hinauswollte, aber gleichzeitig ist es für mich sehr verwirrend. Und außerdem ...« Sie sah Valenti an. »Und außerdem fühle ich da noch was in meinem Innern. Hervorgerufen durch die Musik, durch den Hirsch. Wenn ich darüber nachdenke und alles mal vergesse, was ich gelesen habe oder was man in der Kirche lernt, dann paßt alles

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