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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Günstlinge des Schicksals bezeichnen –
     die frevlerischerweise Tagesangriffe der britischen Luftwaffe herbeiwünschten, um in der Beauchampskapelle wieder zusammenzukommen.
     
    Was Boris nicht ahnte, wohl auch nie erfuhr: Leni geriet in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten. Bedenkt man, daß ihr Lohn
     monatlich kaum mehr als ein halbes Pfund Kaffee wert war, die Einnahmen aus ihrem Haus etwa einhundert Zigaretten, daß ihr
     Kaffeeverbrauch aber ungefähr bei zwei Pfund, ihr Zigarettenverbrauch, rechnet man das, was sie irgend jemand immer »zustecken«
     mußte, hinzu, wohl bei drei- bis vierhundert lag, so wird jedermann einsehen, daß hier eins der simpelsten wirtschaftlichen
     Gesetze mit lawinenhafter Geschwindigkeit sich zur Geltung brachte: erhöhte Ausgaben bei geringen Einnahmen. Exakt oder mit
     an absolute Exaktheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgerechnet, brauchte Leni, um ihren Haushalt mit Kaffee, Zucker, Wein,
     Zigaretten und Brot zu versorgen – die Angaben richteten sich nach den Börsenkursen des Jahres 44, fast vier-, manchmal fünftausend
     Mark im Monat. Ihre Einnahmen, Lohn und Mieten, betrugen etwa eintausend; die Folgen sind klar ersichtlich: Schulden. Rechnet
     man noch hinzu, daß sie von April 1944 an den Aufenthaltsort ihres Vaters erfuhr und auch ihm hin und wieder auf komplizierten
     Umwegen etwas »zukommen lassen« wollte, so stieg ihr Monatsetat |279| etwa ab Juni 44 auf fast sechstausend Mark Ausgaben, denen tausend Mark Einnahmen gegenüberstanden. Ersparnisse hatte sie
     nie gemacht, und auch ihr eigener Verbrauch, bevor Boris und ihr Vater zusätzliche Ausgaben erforderlich machten, hatte ihre
     Einnahmen weit überschritten. Kurz und gut: nachweisbar ist, daß sie im September 1944 bereits zwanzigtausend Mark Schulden
     hatte und ihre Gläubiger ungeduldig wurden. Gerade um die Zeit nahm ihre Verschwendungssucht eine neue Dimension an: sie begehrte
     so luxuriöse Artikel wie Rasierklingen, Seife, sogar Schokolade – und Wein, immer wieder Wein.
     
    Dazu Lotte H.: »Mich hat sie ja nie angepumpt, weil sie wußte, daß ichs schwer genug hatte mit den beiden Kindern. Im Gegenteil:
     mir hat sie hin und wieder was zugesteckt, Brotmarken und Zucker, auch mal Tabak oder ein paar Aktive. Nein, nein. Sie war
     schon recht. Sie kam nur noch selten nach Hause zwischen April und Oktober, und man konnte es ihr ansehen, daß sie jemand
     hatte, der sie liebte und den sie liebte. Wir wußten natürlich nicht, wers war, und dachten alle, sie hätte ihr Rendezvous
     in Margrets Wohnung. Ich war ja auch schon damals seit einem Jahr nicht mehr in der Firma, war beim Arbeitsamt, später bei
     der Obdachlosenfürsorge und verdiente gerade so viel Kröten, daß ich meine Sachen auf Marken kaufen konnte. Die Firma war
     reorganisiert worden, ein ganz neuer strammer Kerl aus dem Ministerium übernahm die Leitung nach Juni 43, und wir nannten
     ihn alle ›neuer Wind‹, weil er, Kierwind hieß er, immer davon sprach, ›die gute alte Gemütlichkeit zu lüften und den Mief
     aus der Bude zu lassen‹! Zu diesem Mief gehörten auch mein Schwiegervater und ich. Er sagte ganz offen zu mir: ›Ihr beiden
     seid hier schon zu lange, viel zu lange – und ich will keinen Ärger mit euch haben, wenn wir jetzt Schanz- |280| und Festungsarbeiten an der Westgrenze machen müssen. Da wirds hart zugehen, mit Russen, Ukrainern und Russinnen und deutschen
     Strafsoldaten. Das ist nichts für euch. Am besten geht ihr freiwillig.‹ Kierwind war die klassische forsche Type, zynisch
     und doch nicht so ganz unnett – den Typ gabs ja häufig. ›Ihr riecht ja alle noch nach Gruyten.‹ Wir gingen also, ich zum Arbeitsamt,
     mein Schwiegervater zur Bahn, als Buchhalter. Nun, ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll – ob Hoyser damals seinen wahren
     Charakter zeigte oder ob sich dieser Charakter an den Umständen gebildet hat. Er wurde ziemlich gemein, und das ist er bis
     heute geblieben. Höllisch wäre eine ziemlich milde Bezeichnung für die Zustände in unserer Wohnung. Wir hatten ja zuerst nach
     Gruytens Verhaftung eine Art Wohn- und Kochgemeinschaft, zu der wir den Heinrich Pfeiffer hinzunahmen, der damals noch auf
     seine Einberufung wartete. Zunächst besorgten Marja und meine Schwiegermutter die Einkäufe, versorgten die Kinder, Marja fuhr
     ja auch mal hin und wieder aufs Land, nach Tolzem oder Lyssemich, und brachte wenigstens Kartoffeln und Gemüse mit, manchmal
     sogar ein Ei. Das

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