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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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hat gelacht, hat mir was für die Kinder geschenkt und mir ne Zehner-Packung Aktive,
     und weil sich gerade der Heinrich auf der Suche nach einem Extrabissen zu uns ins Zimmer schlich, gab sie ihm auch was und
     riskierte ein Tänzchen mit dem |283| völlig verblüfften Jungen. Nun, es war schon phantastisch, wie sie aufgeblüht war, wie leichtsinnig und heiter sie war, und
     ich habe nicht nur sie beneidet, auch den Kerl, den sie so liebte. Bald darauf zog die Marja für eine Zeit aufs Land, der
     Heinrich wurde eingezogen, und ich war mit den Alten, denen ich auch noch meine Kinder überlassen mußte, allein. Es kam mit
     Leni, wie es kommen mußte: die zweite Hypothek wurde fällig, und dann, ja, dann – ich schäme mich, es zu sagen – dann hat
     er ihr tatsächlich das Haus abgekauft, ein nur teilzerstörtes Haus in dieser Lage, Ende 44 – wo es schon schwierig war, überhaupt
     noch was fürs Geld zu bekommen – gab er ihr noch mal zwanzigtausend, ließ die Hypotheken, die ja auf seinen Namen liefen,
     löschen, und da war er, was er offenbar immer angestrebt hatte: Hausbesitzer, und nun hat er das Ding, das heute gut und gern
     fast ne halbe Million wert ist, und was in ihm steckt, das hab ich erst gemerkt, als er gleich am 1. 1. 45 anfing, Mieten
     zu kassieren. Das muß sein Traum gewesen sein, am 1. des Monats rundzugehen und einzukassieren – nur war da im Januar 45 wenig
     zu kassieren: die meisten waren ja evakuiert, die beiden oberen Geschosse ausgebrannt, und es war schon lustig, wie er auch
     mich in seine Mieterliste aufnahm, die Pfeiffers natürlich, die aber erst 52 zurückkamen – und erst als er von mir die erste
     Miete kassierte – 32,60 für meine beiden Leerzimmer –, fiel mir auf, daß wir all die Jahre bei der Leni umsonst gewohnt hatten.
     Manchmal hab ich gedacht, die Leni wäre sehr unvernünftig gewesen, ich habe sie ja gewarnt – aber heute mein ich, sie war
     vernünftig, das alles mit ihrem Liebsten auf den Kopf zu hauen, und verhungert ist sie ja auch im Frieden nicht.«
     
    Margret: »Jetzt kam das, was Leni selbst ihre zweite Truppenbesichtigung nannte. Die erste hatte sie, wie sie |284| mir erzählte, abgehalten, als die Sache mit Boris anfing – sie war alle Bekannten und Verwandten durchgegangen, hatte sogar
     zu Hause sich ein paarmal in die Luftschutzkeller begeben, um dort Tests zu veranstalten, sie hatte die Hoysers und Marja,
     den Heinrich, alle Leute im Betrieb ›besichtigt‹, und wer war bei ihrer Truppenbesichtigung als einzig verwendbarer Leutnant
     übriggeblieben? Ich. Es war eine Strategin an ihr verlorengegangen – wenn ich mir vorstelle, wie sie jeden, jeden einzelnen
     durchging, wie sie natürlich in Lotte eine mögliche Verbündete ahnte, sie aber wegen ›Eifersucht‹ strich, den alten Hoyser
     und seine Frau als ›altmodisch und russenfeindlich‹, den Herrn Pfeiffer als zu ›befangen‹, wie sie mit Sicherheit wußte, daß
     Frau Kremer eine potentielle Verbündete war, und sie sogar besucht hatte, um mit ihr ein unverfängliches Gespräch anzufangen,
     dann aber merkte, daß sie ›einfach zu bange, zu bange und zu müde war, die will nicht mehr, und ich verstehs‹. Daß sie die
     Frau Hölthohne erwog, die aber auch ›wegen ihrer altmodischen Moral, aus keinem anderen Grund‹, ablehnte, und ›dann, dann
     muß man natürlich auch wissen, wer stark genug ist, so was zu wissen und es durchzuhalten‹. Nun, sie war entschlossen, die
     Schlacht zu gewinnen, und es war für sie die natürlichste Sache von der Welt, daß sie für die Kriegsführung Geld brauchte
     und Stützpunkte, der einzige Stützpunkt, den sie bei ihrer ersten Truppenbesichtigung und Lagebeurteilung fand, war ich –
     eine große Ehre und auch eine große Last. Ich war also stark genug. Im Luftschutzkeller, zu Hause und bei den Hoysers und
     Marja testete sie systematisch die Einstellung, indem sie ihre Schweigsamkeit ablegte und verschiedene Stories anbot: sie
     fing mit einem deutschen Mädchen an, das was mit einem Engländer, einem Gefangenen, gehabt hatte, und obwohl das Ergebnis
     schon niederschmetternd war – die meisten Leute waren für erschießen, sterilisieren, aus der Volksgemeinschaft |285| ausstoßen usw. –, probte sie auch noch den Franzosen, der ›als Mensch‹ besser wegkam, als erwägenswerter Liebhaber« (von wegen
     der französischen Begabung zum faire l’amour wahrscheinlich. Der Verf.) »ein Schmunzeln erntete, dann aber doch als

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