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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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ging eine Weile ganz gut, bis mein Schwiegervater anfing, die markenfreie Suppe, die er bei der Bahn mittags
     bekam, mit nach Hause zu bringen, sich abends aufzuwärmen und genüßlich vor unseren Augen zu schlürfen, zusätzlich versteht
     sich, zusätzlich zu dem, was er aus dem gemeinsamen Kochpott bekam. Dann wurde meine Schwiegermutter ›gramm-närrisch‹, wie
     Marja es nannte, und fing an, alles nachzuwiegen; dann kam das Stadium, wo jeder seinen Kram einschloß – in ein Spind mit
     einem dicken Vorhängeschloß davor –, und natürlich fingen sie an, sich gegenseitig des Klauens zu bezichtigen. Meine Schwiegermutter
     wog ihre Margarine, bevor sie sie wegschloß, und dann wieder, wenn sie sie rausnahm – und jedes-, jedesmal behauptete sie,
     es sei ihr |281| was geklaut worden. Was ich herausbekam war, daß sie – meine Schwiegermutter – sogar an die Milch für meine Kinder ging, sie panschte, um für sich oder
     den Alten hin und wieder mal nen Pudding zu kochen. Nun ging ich zu Marja über, überließ ihr das Einkaufen und Kochen, und
     ich stand mich gut dabei, kleinlich waren Leni oder Marja nie – jetzt aber fingen die alten Hoysers an rumzuschnüffeln, wenn
     was gekocht wurde oder auf dem Tisch stand, und es kam eine neue hübsche Variante rein: der Neid. Nun, ich habe die Leni einfach
     beneidet, sie konnte abhauen und mit ihrem Liebhaber bei Margret unterschlüpfen – dachte ich. Jetzt aber, seitdem er bei der
     Bahn war, baute der alte Hoyser, wie er es nannte, seine Beziehungen aus. Er hatte nämlich die Buchhaltung für die Lokomotivführer
     unter sich, die 43 ja noch in ziemlich alle Ecken Europas fuhren, dort begehrte Waren mitnahmen und hier begehrte mitbrachten. Für einen Sack Salz brachten sie aus der Ukraine ein ganzes Schwein mit, für einen Sack Grießmehl aus
     dem total verhungerten Holland oder aus Belgien Zigarren und aus Frankreich natürlich Wein, Wein und nochmals Wein, Sekt und
     Cognac. Jedenfalls, Hoyser saß am richtigen Hebel, und da er später auch die Koordinierung der Einsatz- und Fahrpläne für
     die Transportzüge übernahm, wurde er zum Großunternehmer, er analysierte genau, wo in Europa was knapp war und veranlaßte
     entsprechende Warenverschiebungen: holländische Zigarren gingen gegen Butter in die Normandie, vor der Invasion versteht sich,
     und gegen Butter bekam man dann in Antwerpen, oder was weiß ich, doppelt soviel Zigarren, als man in der Normandie dafür gegeben
     hatte – was weiß ich. Und weil er auch die Fahrteneinteilung bekam, bekam er die Heizer und Lokomotivführer in die Hand und
     schob natürlich denen, die am besten kollaborierten, die besten Fahrten zu, und natürlich waren auch auf dem innerdeutschen
     Markt sehr |282| verschiedene Waren an den verschiedenen Plätzen verschieden hoch im Kurs. In den Großstädten war alles gut zu verkaufen: Fressen
     und Genußmittel – Kaffee war natürlich in ländlichen Gegenden begehrter – und durch Tauschgeschäfte – Butter gegen Kaffee
     oder was weiß ich – konnte man, wie er es nannte, seine Aktie verdoppeln. Es ergab sich von selbst, daß er Leni am meisten
     pumpte; anscheinend warnte er sie, aber wenn sie Geld brauchte, gab ers ihr. Schließlich war er nicht mehr nur ihr Geldgeber,
     auch ihr Lieferant, und da konnte er ein zusätzliches Geschäft machen, indem er ihr ein bißchen draufschlug, das merkte die
     Leni gar nicht. Sie unterschrieb bloß immer nur die Schuldscheine. Schließlich war ers, der herausfand, wo der alte Gruyten
     war, erst als Bauarbeiter an der Atlantikküste in Frankreich, an der Betonmischmaschine, mit einer Strafeinheit, später in
     Berlin zum Aufräumen nach Bombenangriffen – und wir fanden schließlich eine Möglichkeit, ihm hin und wieder ein Päckchen zustecken
     zu lassen und Nachricht von ihm zu bekommen, meistens ließ er uns ausrichten: ›Keine Sorge. Ich komme bald wieder.‹ Da waren
     dann auch wieder Gelder fällig. Es kam, was kommen mußte, so im August 44 hatte Leni zwanzigtausend Mark Schulden bei Hoyser,
     und wissen Sie, was er tat: er drängte sie! Er sagte, meine Transaktionen stocken, Kind, wenn ich nicht das Geld zurückbekomme
     – wissen Sie, worauf es dann hinauslief? Leni nahm ne Hypothek von dreißigtausend auf ihr Haus, gab dem Alten die zwanzig
     und hatte selbst noch zehn in der Tasche. Ich habe sie gewarnt, ich habe ihr gesagt, daß es doch Irrsinn ist, in inflationären
     Zeiten Sachwerte zu beleihen – aber sie

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