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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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dieser Scheißdiplome, die sie doch als Zehn-, Zwölfjährige
     bekommen hatte, aber das war einer, den ich nun zufällig in SA-Uniform gesehen hatte, und der hat dann auch schön die Schnauze
     gehalten, sonst wärs für die Leni peinlich geworden: erklären Sie doch mal einem Engländer oder Amerikaner, daß man ein Diplom
     als ›deutschestes Mädel der Schule‹ bekommt und doch nicht dazugehört? Damals war nun Pelzer wirklich anständig, der hatte
     doch seinen Teil aus der Schnürergasse sichergestellt und war nicht verzinkt worden, und als er hörte, daß bei uns alles beschlagnahmt
     worden war, hat er freiwillig was rausgerückt: ohne Geld, ohne Gegenleistung, wahrscheinlich um sich bei der Leni einzuschmeicheln.
     Immerhin, dieser Gangster war netter als der alte Hoyser. Das hab ich später, viel später, ich glaube, das war schon 54, von
     einem dieser Polizisten erfahren, daß mein eigner Schwiegervater uns verzinkt hat.«
     
    Die Hölthohne, mit der sich der Verf. diesmal in einem sehr modischen, teuren kleinen Café verabredet hatte, nicht nur, um
     sich als Kavalier zu erweisen, auch, um im Zigarettenverbrauch keinerlei Einschränkungen innerer |321| und äußerer Art zu erliegen, erlebte das Kriegsende in eben jenem ehemaligen Karmeliterinnenkloster, im Keller der ehemaligen
     Klosterkirche, »in so einem Gewölbe, wo früher wahrscheinlich einmal die Nonnen ihren Karzer absaßen. Ich habe von der Plünderei
     nichts bemerkt, und den Zweiten habe ich nur als ganz fernes, schreckliches, langanhaltendes dumpfes Dröhnen erlebt, schlimm
     genug, aber sehr weit weg, und ich wollte und wollte aus diesem Gewölbe nicht raus, bis ich tatsächlich wußte, daß die Amerikaner
     da waren; ich hatte Angst. Es wurden so viele Menschen erschossen und aufgehängt, und wenn ich auch gute, bewährte ordentliche
     Papiere hatte: ich hatte Angst, irgendeine Streife hätte Verdacht schöpfen und mich erschießen können. Ich blieb da hocken,
     später ganz allein, und ließ die oben plündern und feiern. Erst als ich hörte, daß die Amerikaner wirklich da waren, bin ich
     raus, habe geatmet und geweint, vor Freude und vor Schmerz, Freude über die Befreiung und Schmerz über diese völlig und sinnlos
     zerstörte Stadt – dann habe ich vor Freude geweint, als ich sah, daß alle, alle Brücken zerstört waren: endlich war der Rhein
     wieder Deutschlands Grenze, endlich wieder – das war doch eine Chance, das hätte man wahrnehmen können. – Einfach keine Brücken
     mehr bauen, nur scharf kontrollierte Fähren hin und her fahren lassen. Nun, ich habe sofort Verbindung mit den amerikanischen
     Dienststellen aufgenommen, habe nach einigem Hin- und Hertelefonieren meinen Freund, den französischen Oberst, gefunden, durfte
     frei zwischen der englischen und französischen Zone hin und her fahren, und ich hatte das Glück, die kleine Gruyten, die Leni,
     zwei- oder dreimal aus ziemlich unangenehmen Situationen befreien zu helfen, als sie auf der Suche nach ihrem Boris da naiv
     durch die Gegend fuhr. Schon im November habe ich meine Lizenz bekommen, habe mir ein Grundstück gemietet, Treibhäuser zusammengebastelt, |322| einen Laden eröffnet und die Leni, das Gruyten-Mädel, gleich zu mir genommen. Es war ein wichtiger Augenblick für mich, als
     ich meine Lizenz und meinen neuen Personalausweis bekam: sollte ich nicht wieder die Elli Marx aus Saarlouis werden, oder
     sollte ich Liane Hölthohne bleiben? Ich habe mich entschlossen, Liane Hölthohne zu bleiben. Mein Paß lautet auf Marx, genannt
     Hölthohne. Nun, bei mir bekommen Sie aber einen besseren Tee als hier in dieser pseudoleistungsfähigen Bude.« (Was der Verf.
     galant und überzeugt bestätigte.) »Was hier wirklich gut ist, sind die Petits fours, die werde ich mir mal merken. Nun zu
     dem, was gewisse Auskunftspersonen Ihnen als das Sowjetparadies in den Grüften bezeichnet haben: wir waren auch in dieses
     Paradies eingeladen, Grundtsch und ich, aber wir haben Angst gehabt, nicht vor den Toten, vor den Lebenden, und weil der Friedhof
     mitten im Bombenabwurfbereich der Flugzeuge lag, zwischen Altstadt und den Vororten; was die Toten betrifft, so hat mich an
     diesem Paradies da nichts gestört, immerhin haben die Menschen sich ja jahrhundertelang in Katakomben getroffen und ihre Feste
     gefeiert. Der Keller neben dem Kirchengewölbe des Karmeliterinnenklosters war mir sicherer – da konnte getrost eine Streife
     kommen und nach meinen Papieren fragen,

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