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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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einem korrupten und kriminellen Nazi ganz besonders sicher. Ich wußte doch, was so über ihn geredet wurde und was
     der Grundtsch mir manchmal |325| erzählte, und da stand er nun plötzlich vor mir, vor Angst kreideweiß, rückte mit seiner Frau an, die nun wirklich unschuldig
     war und von nichts was wußte, was er so vor 33 getan hatte, und mit seinen nun tatsächlich süßen beiden kleinen Kindern, dem
     Jungen und dem Mädel, sie waren so zwischen zehn und zwölf – entzückend, auch die blasse, ein bißchen hysterische Frau, die
     völlig ahnungslos war, tat mir leid –, und er fragte mich, ob ich ihm in den zehn Jahren, die ich bei ihm gewesen war, auch
     nur eine, eine einzige winzige Unmenschlichkeit gegen mich oder andere, innerhalb und außerhalb des Betriebs nachsagen oder
     nachweisen könnte und ob es nicht eine Zeit geben müßte, in der einem Menschen seine Jugendsünden – so nannte er das – verziehen
     und vergessen werden müßten. Er war schlau genug, mir keine Bestechung anzubieten, übte nur einen sanften Druck aus, indem
     er mich daran erinnerte, daß er mich doch in das Kranzaufarbeitungskommando aufgenommen, also zu seiner Vertrauten gemacht
     habe – womit er natürlich auch andeuten wollte, ich hätte ja auch so ein bißchen Dreck am Stecken, denn hübsch wars ja nicht,
     daß wir geklaute Kränze aufpolierten, sogar die Schleifen noch benutzten –, nun, letzten Endes habe ich nachgegeben und habe
     ihm seinen Persilschein ausgestellt, habe meine französischen Freunde als Bürgen für mich angegeben und so weiter. Dasselbe
     hat er mit der Leni gemacht, die stand damals politisch hoch im Kurs, die Leni, genau wie ihre Freundin Lotte, die beiden
     hätten Karriere machen können – aber so wars nun mal bei der Leni, sie hat sich aus nichts was gemacht; Pelzer hat ihr Teilhaberschaft
     angeboten – genau, was ich später getan habe –, dann hat er ihrem Vater Teilhaberschaft angeboten, aber der wollte so wenig
     wie sie, der hat ganz den Proleten gespielt, wollte von Geschäften nichts mehr wissen, hat nur gelacht und der Leni geraten,
     dem Pelzer sein ›Ding‹, diesen Persilschein, zu geben, und sie |326| hats getan, natürlich ohne irgendeine Gegenleistung. Das war schon nach Boris’ Tod, wo sie ganz und gar Statue wurde. Nun,
     sie hat ihm seinen Persilschein gegeben – genau wie ich. Damit war er gerettet, denn wir zählten beide was. Und wenn Sie mich
     fragen, ob ichs bereue, ich sage weder nein noch ja und nicht vielleicht, ich sage nur: mir wird ganz übel, wenn ich dran
     denke, daß wir ihn in der Hand hatten – verstehen Sie: in der Hand, mit einem Stück Papier, einem Füllfederhalter, ein paar
     Telefongesprächen nach Baden-Baden und Mainz, und es war ja die törichte Zeit, wo die Leni ein bißchen auf KPD machte, und
     es saß ein KP-Mann in der Spruchkammer, natürlich, und so weiter. Also: wir haben ihn reingewaschen und rausgekriegt – und
     ich muß sagen, was immer er sonst geschäftlich als Spekulant und mit seinem Raubtierinstinkt an krummen Dingern gedreht hat,
     ein Faschist ist er nie wieder gewesen und geworden, auch später, als er ganz nützlich gewesen wäre oder wieder nützlich wurde, auch das vorzeigen zu können. Nein. Nie. Das muß man sagen, muß man ihm lassen, und er hat nie unfair gegen mich konkurriert, auch
     nicht gegen Grundtsch – das muß man sagen. Und trotzdem – mir wird ganz übel, wenn ich dran denke, daß wir ihn in der Hand
     hatten. Das hat sogar letzten Endes die Ilse Kremer mitgemacht – er hat sie rumgekriegt, sie war eine politisch Verfolgte,
     nachweisbar, und deren Stimme galt so viel wie Lenis und meine, und obwohl wir beide genügt hätten, er wollte auch noch von
     ihr einen Persilschein und bekam ihn –, und auch die, die Kremer, die hat sich aus nichts was gemacht, nichts aus Pelzers
     Angebot, nichts aus meinem, nichts aus der Tatsache, daß ja nun ihre alten Genossen wieder auftauchten. Die hatte nur eine
     Zeile im Kopf, schon damals: ›Ich will nicht mehr, ich will nicht mehr‹, und mit ihren ehemaligen Genossen wollte sie schon
     gar nicht – sie hat sie nur die Thälmannisten genannt, die ihren Mann oder |327| Freund in Frankreich ans Messer geliefert haben, in den eineinhalb Jahren, wo der Stalin-Hitler-Pakt galt, gegen den er gewesen
     ist, von Anfang an. Nun, was ist sie geworden, die Ilse Kremer: wieder Hilfsarbeiterin, erst bei Grundtsch, dann letzten Endes
     doch wieder bei Pelzer, bis ich

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