Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)
diesen Pelzer nicht mehr sehen, will
nichts mehr von ihm hören, nein; es war zu schlimm; und kurz danach bekam ich ja auch die Kinder abgenommen, da hat der Alte
nicht lokkergelassen, er hat kein Mittel gescheut, er hat jeden Mann, der damals mal bei uns wohnte oder auch uns nur mal
besuchte, jeden hat er mir angehängt, um die Kinder mir wegzunehmen, sie erst in die Fürsorge tun zu lassen, dann zu sich
zu nehmen; sogar mit dem armen Heinrich Pfeiffer hat er mich verdächtigt, mit diesem armen Kerl, der damals noch ohne Prothese
herumhumpelte und eben bei uns wohnte, wenn er ins Krankenhaus oder zum Versorgungsamt mußte. Wir mußten doch Zimmer vermieten,
mußten, weil er die Miete erhöhte und nicht lockerließ – da ist eben die Fürsorgerin ein paarmal, was sage ich, die ist oft
gekommen, und immer überraschend, und verflucht noch mal, denken Sie, was Sie wollen, ja verflucht noch mal, die hat mich
eben dreimal mit einem Kerl erwischt, zweimal, wie sies ausdrückte, in ›eindeutig zweideutiger Situation‹, da lag ich, auf
deutsch gesagt, mit diesem Bogakov im Bett, der ein Kumpel von Boris gewesen war und uns manchmal besuchte. Ja, und das dritte
Mal hat sie mich in ›zweideutiger Situation‹ erwischt, da stand der Bogakov im Unterhemd am Fenster und rasierte sich mit
meinem Taschenspiegel und einer Waschschüssel, die auf der Fensterbank stand. ›Solche Situationen‹, schrieb sie in ihrem Bericht,
›lassen auf eine Intimität schließen, die der Erziehung heranwachsender Kinder nicht zuträglich ist.‹ Nun ja, der Kurt war
neun und der Werner vierzehn, vielleicht wars nicht recht, besonders weil ich den Bogakov gar nicht liebte, nicht mal besonders
gern hatte, wir krochen eben einfach zusammen; |319| und sie haben natürlich die Kinder auch ausgehorcht – und dann war ich sie los, endgültig los; die haben erst geweint, als
sie wegmußten, aber später, als sie von den Nonnen zu ihrem Großvater zogen, da wollten sie nichts mehr von mir wissen; da
war ich nicht nur eine Hure, da war ich auch noch eine Kommunistin und so weiter, und eins muß man dem Alten ja lassen: er
hat sie auf die höhere Schule geschickt und studieren lassen, und mit dem Grundstück, das Frau Gruyten dem Kurt damals in
die Wiege gelegt hat, hat er so geschickt spekuliert – das ist heute, nach dreißig Jahren, mit vier Häuserblocks drauf und
Geschäftslokalen unten im Souterrain, gut und gerne seine drei Millionen wert und hat ne Rendite, da könnten wir alle von
leben, auch die Leni, und damals, als der Kurt es geschenkt bekam, war es doch gemeint wie eine vergoldete Tasse oder so was
– das ist natürlich was anderes als ne alte, müde, verschlissene Mutter, die für elfhundertzwölf Mark brutto jeden Morgen
noch ins Büro muß. Und eins muß man ihm lassen: so geschickt hätte ichs nicht gemacht, hätte es nicht machen können. Dabei
war das mit diesem Bogakov nur ne Dummheit, einfach ne Dummheit, ich war so müde und traurig, nachdem der Hubert auf so schreckliche
Weise gestorben war, und der arme Bogakov, der heulte doch damals schon immer und wußte nicht, soll er nun zu Mütterchen Rußland
heimkehren oder nicht und so weiter, und sang seine traurigen Lieder, wie der Boris – mein Gott, da sind wir eben ein paarmal
zusammengekrochen. Schließlich hab ich später noch rausbekommen, daß es Hoyser gewesen war, der uns bei der deutschen Hilfspolizei
verzinkt hat, wir hätten ein Schwarzmarktlager. Er hats eben nicht verwinden können, daß er von der Schnürergasse nichts mitbekommen
hat, und eines Tages, so Anfang 46, tauchten also diese miesen deutschen Schnüffler bei uns auf und fanden natürlich unser
Lager im Keller: die eingesalzene |320| Butter, den geräucherten Speck, Zigaretten und Kaffee und haufenweise Socken und Unterwäsche – alles beschlagnahmt; da hätten
wir uns noch zwei, drei Jahre mit durchschleppen können, und ganz gut. Eins konnten sie uns ja nun nicht nachweisen: wir hatten
kein Gramm auf dem Schwarzmarkt verkauft, höchstens mal getauscht und eine Menge sogar verschenkt, dafür hat die Leni schon
gesorgt. Da nützten uns die englisch-amerikanischen Beziehungen gar nichts, das war Sache dieser deutschen Schnüffler, die
sogar noch Haussuchung hielten und bei Leni ihre komischen Diplome fanden als das ›deutscheste Mädel der Schule‹. Einer dieser
Lümmel wollte sie tatsächlich verzinken, als Nazisse denunzieren, wegen
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