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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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diesen Pelzer nicht mehr sehen, will
     nichts mehr von ihm hören, nein; es war zu schlimm; und kurz danach bekam ich ja auch die Kinder abgenommen, da hat der Alte
     nicht lokkergelassen, er hat kein Mittel gescheut, er hat jeden Mann, der damals mal bei uns wohnte oder auch uns nur mal
     besuchte, jeden hat er mir angehängt, um die Kinder mir wegzunehmen, sie erst in die Fürsorge tun zu lassen, dann zu sich
     zu nehmen; sogar mit dem armen Heinrich Pfeiffer hat er mich verdächtigt, mit diesem armen Kerl, der damals noch ohne Prothese
     herumhumpelte und eben bei uns wohnte, wenn er ins Krankenhaus oder zum Versorgungsamt mußte. Wir mußten doch Zimmer vermieten,
     mußten, weil er die Miete erhöhte und nicht lockerließ – da ist eben die Fürsorgerin ein paarmal, was sage ich, die ist oft
     gekommen, und immer überraschend, und verflucht noch mal, denken Sie, was Sie wollen, ja verflucht noch mal, die hat mich
     eben dreimal mit einem Kerl erwischt, zweimal, wie sies ausdrückte, in ›eindeutig zweideutiger Situation‹, da lag ich, auf
     deutsch gesagt, mit diesem Bogakov im Bett, der ein Kumpel von Boris gewesen war und uns manchmal besuchte. Ja, und das dritte
     Mal hat sie mich in ›zweideutiger Situation‹ erwischt, da stand der Bogakov im Unterhemd am Fenster und rasierte sich mit
     meinem Taschenspiegel und einer Waschschüssel, die auf der Fensterbank stand. ›Solche Situationen‹, schrieb sie in ihrem Bericht,
     ›lassen auf eine Intimität schließen, die der Erziehung heranwachsender Kinder nicht zuträglich ist.‹ Nun ja, der Kurt war
     neun und der Werner vierzehn, vielleicht wars nicht recht, besonders weil ich den Bogakov gar nicht liebte, nicht mal besonders
     gern hatte, wir krochen eben einfach zusammen; |319| und sie haben natürlich die Kinder auch ausgehorcht – und dann war ich sie los, endgültig los; die haben erst geweint, als
     sie wegmußten, aber später, als sie von den Nonnen zu ihrem Großvater zogen, da wollten sie nichts mehr von mir wissen; da
     war ich nicht nur eine Hure, da war ich auch noch eine Kommunistin und so weiter, und eins muß man dem Alten ja lassen: er
     hat sie auf die höhere Schule geschickt und studieren lassen, und mit dem Grundstück, das Frau Gruyten dem Kurt damals in
     die Wiege gelegt hat, hat er so geschickt spekuliert – das ist heute, nach dreißig Jahren, mit vier Häuserblocks drauf und
     Geschäftslokalen unten im Souterrain, gut und gerne seine drei Millionen wert und hat ne Rendite, da könnten wir alle von
     leben, auch die Leni, und damals, als der Kurt es geschenkt bekam, war es doch gemeint wie eine vergoldete Tasse oder so was
     – das ist natürlich was anderes als ne alte, müde, verschlissene Mutter, die für elfhundertzwölf Mark brutto jeden Morgen
     noch ins Büro muß. Und eins muß man ihm lassen: so geschickt hätte ichs nicht gemacht, hätte es nicht machen können. Dabei
     war das mit diesem Bogakov nur ne Dummheit, einfach ne Dummheit, ich war so müde und traurig, nachdem der Hubert auf so schreckliche
     Weise gestorben war, und der arme Bogakov, der heulte doch damals schon immer und wußte nicht, soll er nun zu Mütterchen Rußland
     heimkehren oder nicht und so weiter, und sang seine traurigen Lieder, wie der Boris – mein Gott, da sind wir eben ein paarmal
     zusammengekrochen. Schließlich hab ich später noch rausbekommen, daß es Hoyser gewesen war, der uns bei der deutschen Hilfspolizei
     verzinkt hat, wir hätten ein Schwarzmarktlager. Er hats eben nicht verwinden können, daß er von der Schnürergasse nichts mitbekommen
     hat, und eines Tages, so Anfang 46, tauchten also diese miesen deutschen Schnüffler bei uns auf und fanden natürlich unser
     Lager im Keller: die eingesalzene |320| Butter, den geräucherten Speck, Zigaretten und Kaffee und haufenweise Socken und Unterwäsche – alles beschlagnahmt; da hätten
     wir uns noch zwei, drei Jahre mit durchschleppen können, und ganz gut. Eins konnten sie uns ja nun nicht nachweisen: wir hatten
     kein Gramm auf dem Schwarzmarkt verkauft, höchstens mal getauscht und eine Menge sogar verschenkt, dafür hat die Leni schon
     gesorgt. Da nützten uns die englisch-amerikanischen Beziehungen gar nichts, das war Sache dieser deutschen Schnüffler, die
     sogar noch Haussuchung hielten und bei Leni ihre komischen Diplome fanden als das ›deutscheste Mädel der Schule‹. Einer dieser
     Lümmel wollte sie tatsächlich verzinken, als Nazisse denunzieren, wegen

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