Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)
aber die treibt’s ja eher mit
ungewaschenen Türken als mir mal eine zärtliche Stunde gewähren, und das doch wohl alles einer Sache wegen, an der ich effektiv
unschuldig bin. Was hab ich denn getan? Ich habe doch, wenn Sies genau nehmen, ihrem Boris das Leben gerettet. Was hätten
dem denn seine deutsche Uniform und sein deutsches Soldbuch genützt, wenn er sich nicht hätte verstecken können, und wer hat
denn gewußt, welche Angst die Amerikaner vor Toten und Friedhöfen, vor allem haben, was mit dem Tod zusammenhängt? Ich. Es
war doch meine Erfahrung, die ich während des Ersten Weltkriegs und in der Inflationszeit bei den Exhumierungskommandos gemacht
habe, daß sie überall suchen würden, aber ganz bestimmt nicht in Grüften – und auch die Kettenhunde und all das Gesindel –,
so leicht würden die nicht unter der Erde von Friedhöfen suchen. Allein konnte die Leni ja nun nicht bleiben, weil das Kind
jeden Tag kommen konnte und weil die Lotte und diese Margret sich nun mal verstecken mußten, konnte die Leni |330| doch nicht allein in der Wohnung bleiben. Was habe ich getan? Ich war doch der einzige arbeitsfähige Mann in der Gruppe, und
meine Familie war irgendwo in Bayern – und ich wollte doch auch weder in den Volkssturm noch in amerikanische Gefangenschaft.
Was habe ich also getan? Ich habe die Herrigergruft, die Beauchampsgruft und das umfangreiche Erbbegräbnis derer von der Zecke
durch Stollen miteinander verbunden, regelrechte Bergwerksarbeit, gebuddelt, abgestützt, gebuddelt, abgestützt. Das waren
doch insgesamt vier pulvertrockene, sauber ausgemauerte Kammern, immerhin zwei mal zweieinhalb, eine regelrechte Vierzimmerwohnung.
Dann habe ich Strom reingelegt, von meinem Betrieb aus, das waren doch nur fünfzig beziehungsweise sechzig Meter. Heizöfchen
habe ich besorgt, von wegen der kleinen Kinder und der schwangeren Leni, und – warum es verschweigen – da gabs auch schon
ausgemauerte, aber nicht belegte Grabkammern, sozusagen reservierte Plätze für die Beauchamps, die Herrigers, die von der
Zecke. Das waren doch die idealen Vorratskammern. Stroh rein, Matratzen rein und für alle Fälle noch ein kleines Kanonenöfchen
– für nachts natürlich, es wäre irrsinnig gewesen, das Ding tagsüber anzustecken, wies diese Margret später mal versuchte
– die hatte eben keine Ahnung von Tarnung. Nun, bei diesen ganzen Maulwurfsarbeiten hat der Grundtsch mir noch schön geholfen
– alle diese Familienbegräbnisse gehörten doch zu unserer Abonnentenkundschaft –, aber drin wohnen wollte er nicht, der hat
aus dem ersten Krieg einen Verschüttungskomplex mit heimgebracht, den bekam man in keinen Keller und kein Kellerlokal rein,
dem mußte ich also die Körbe mit Erde rausreichen, in eine Gruft runtersteigen, das hätte er nie getan, und er wollte auch
nicht da unten mit uns wohnen. Über der Erde ja, da ängstigten ihn die Toten nicht, aber unter der Erde fürchtete er seinen
eigenen |331| Tod. Er zog also heimwärts, westwärts, als es brenzlig wurde, in sein Heimatdorf da zwischen Monschau und Kronenburg, und
das Ende Januar 45! Kein Wunder, daß er in die Falle tappte, Volkssturmmann wurde und in seinem Alter noch ins Gefangenenlager
mußte. Also, ich hatte diese Vierzimmerwohnung in den Grüften so Mitte Februar fertig, und der Februar war ein ruhiger Monat,
nur ein einziger Angriff, einmal so für eine halbe Stunde mit ein paar Bomben, von denen man kaum etwas hörte. Da zog ich
also nachts mit dieser Lotte und ihren beiden Kindern ein, dann kam Margret dazu, und wenn Ihnen einer erzählt, ich hätte
mich an der vergangen, so sage ich: ja und nein. Wir hockten zusammen da in den zwei Kammern der von der Zeckes, die Lotte
mit ihren Kindern nebenan bei den Herrigers, und für Leni und ihren Boris hatten wir ja ihr ursprüngliches Liebesnest, die
Beauchampsgruft, reserviert, mit Matratzen und Stroh und Elektroofen, hartbacknem Brot, Wasser, Milchpulver, ein bißchen Tabak,
Brennspiritus, Bier – wie in einem Bunker. Manchmal konnten wir die Artillerie schon hören, von der Erftfront, dahin hatten
sie die Russen noch verfrachtet zum Schanzen – Boris mit einer deutschen Uniform im Gepäck, mit Orden und Ehrenzeichen, wie
sie zu diesem verfluchten Soldbuch gehörten –, da buddelten also die Russen noch Schützengräben und Geschützstellungen, wohnten
in Scheunen und wurden gar nicht mehr so arg bewacht, und eines Tages
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