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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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die Pest? Was habe ich denn letzten Endes anderes getan, als Lenis Vater
     eine echte Chance zu geben? Das sah doch ein Kind und ein Laie, daß der noch nicht einmal ein guter Verputzer war, selbst
     mit dem besten Material kam der gar nicht zurecht, und seine Putzkolonne, nun, die nahm man, weils keine andere gab, aber
     dann sind doch allen Leuten, für die er gearbeitet hat, die Decken wieder runtergefallen oder die Wände abgebröckelt – der
     hat einfach nicht gelernt, wie man putzt, der hatte nicht den richtigen Wurf, den richtigen Schwung, und daß er nicht mehr
     Geschäftsmann sein wollte, sich da bewußt als Prolet aufspielte, das war doch die reine Spinnerei aus dem Kittchen oder Lager
     oder ihm von den Kommunisten eingeimpft, mit denen er da zusammengehockt hat. Ich kann Ihnen sagen, das war eine Enttäuschung,
     dieser große Mann mit seinem großen Skandal im Rücken erwies sich als ein richtiger Stümper, der nicht mal richtig mauern
     konnte. Das war doch auch nur eine Art von Snobismus, daß der nun plötzlich mit einem alten Handkarren, ein paar Zinkbütten,
     mit Truffel und Spachtel und Schaufel von Haus zu Haus zog und seine Dienste als Verputzer anbot, gegen Kartoffeln, Brot und
     hin und wieder eine Zigarre. Und abends am Rhein sitzen und mit Tochter und Enkel und Schwiegersohn Liedchen singen und den
     Schiffen zusehen – das war doch nichts für einen |337| Mann mit dieser enormen organisatorischen Begabung und diesem Mut. Ich habe ihm ein paarmal faire Angebote gemacht und ihm
     gesagt: ›Gruyten, schauen Sie her, ich habe da drei- oder vierhunderttausend Mark, die ich beim besten Willen nicht mehr in
     festen oder halbwegs sicheren Werten anlegen konnte, nehmen Sie sie, machen Sie ein Geschäft damit auf, und wenn die Inflation
     vorüber ist, geben Sie es mir zurück, nicht eins zu eins, nicht zwei zu eins, nein drei zu eins und ohne Zinsen. Sie sind
     doch klug genug, zu wissen, daß es mit dieser Zigarettenwährung eine Kinderei ist, das ist was für heimgekehrte Nihilisten,
     die im Lager nichts zu rauchen bekommen haben, das ist was für Kinder und nikotinsüchtige Bombenweiber oder Kriegerwitwen,
     Sie wissen doch so gut, wie ich weiß, daß die Zigaretten eines Tages wieder fünf Pfennig oder höchstens einen Groschen kosten
     werden, und wenn Sie heute fünffünfzig für eine Zigarette investieren, die Sie an der nächsten Ecke für sechsfünfzig verkaufen,
     so ist das Kinderei, und wenn Sie die Zigaretten aufbewahren wollen, bis das Geld wieder hart wird, so prophezeie ich Ihnen,
     daß Sie für Ihre fünffünfzig fünf Pfennig bekommen, falls die Zigaretten nicht bis dahin verschimmelt sind.‹ Er hat gelacht
     und geglaubt, ich wollte ihm einen Zigarettenhandel vorschlagen, dabei habe ich das nur als Beispiel gebraucht. Nun, ich dachte,
     er würde natürlich ein Baugeschäft eröffnen, und wäre er ein bißchen geschickt gewesen, hätte er als politischer Verfolgter
     in der Gegend rumlaufen können. Nein, er hat nicht gewollt. Schließlich mußte ich ja nun mein Geld letzten Endes anlegen,
     und mit Grundstücken war damals nicht viel zu machen. Wenn die Leni mir rechtzeitig ihr Haus für eine halbe Million verkauft
     hätte, hätte ich ihr eine mietfreie Wohnung auf Lebenszeit vertraglich zugesichert. Was hat Hoyser ihr dafür gegeben? Den
     vierfachen Einheitswert: ganze sechzigtausend letzten Endes, und das |338| im Dezember 44 – es ist nicht zu fassen! Nun, ich saß da mit meinem Geld. – Ich habe angelegt, was ich konnte, Möbel und Bilder
     und Teppiche, Bücher sogar habe ich gekauft, aber es blieb immer noch dieser Brocken von drei-, vierhunderttausend, die ich cash bei mir zu Hause hatte. Und da habe ich eine Idee gehabt, da haben alle drüber gelacht und haben gesagt: ›Der Pelzer ist doch
     menschlich geworden, zum erstenmal macht er unsinnige Geschäfte.‹ Was hab ich getan: ich habe Schrott gekauft, nicht irgendwelchen,
     sondern nur Stahlträger bester Qualität, legal natürlich, habe mir sozusagen Ausschlachtungsrechte besorgt, wo ich sie bekommen
     konnte – die meisten Leute waren ja froh, auf diese Weise ihre Grundstücke enttrümmert zu bekommen. Die Stahlträger, das war
     nur eine Frage der Lagerung, und Grundstücke hatte ich ja genug: also los! Wissen Sie, was damals der Stundenlohn einer Gärtnereiarbeiterin
     wie der Leni oder der Kremer war? Ganze fünfzig Pfennig. Und ein Hilfsarbeiter beim Bau, nun, der kam vielleicht auf eine
     Mark,

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