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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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brachte Leni auf der Lenkstange ihres geklauten Fahrrads
     den Boris mit, nun, dem stand die deutsche Uniform gar nicht schlecht, und der künstliche Verband stand ihm großartig – sogar
     einen Verwundetenzettel hatte er, ordentlich, mit Stempel und Unterschrift, damit kamen sie durch die Kettenhunde und zogen
     dann so um den 20. Februar in ihr kleines Eigenheim auf dem Friedhof ein, und ich habe recht behalten: keine Streife, weder
     deutsche noch amerikanische, |332| hat sich in die Grüfte getraut, und wir lebten da tageweise wie in einer Idylle, nichts zu hören, nichts zu sehen, und um
     die Form zu wahren, arbeitete ich tagsüber noch in meinem Laden, denn gestorben wurde ja immer noch, und beerdigt werden mußte
     auch immer noch, nicht mehr ganz so feierlich und nicht mehr mit Salutschüssen und nicht mehr mit regelrechten Kränzen, aber
     doch ein paar Tannenzweige, hier und da mal eine Blume – es war schon Irrsinn. Abends wanderte ich dann erst heimwärts, später
     fuhr ich mit Lenis geklautem Fahrrad – machte dann kehrt und auf den Friedhof zurück. Ärger hatten wir natürlich mit diesen
     verdammten Hoyser-Rangen, die frechsten jungen Schweine, die Sie sich denken können, raffiniert und rücksichtslos, das einzige,
     mit dem man sie ruhig halten konnte, war: Lernen, und was die lernen wollten, war klar: Geld verdienen. Die haben mich ausgequetscht
     über Kalkulation und Buchhaltung usw. Die trampelten ihrer Mutter schon damals auf dem Kopf herum, und wenn es schon ein Spiel
     wie Monopoly gegeben hätte, da hätten wir diese frechen Bengels für Wochen ruhig gehabt. Kapiert haben sie natürlich, daß
     sie ruhig sein und sich nicht draußen zeigen durften, denn zwangsevakuiert werden wollten sie nicht, nein, so schlau waren
     sie, aber was die drinnen anrichteten! Ich meine, es gibt doch gewisse Grenzen, so ein bißchen Ehrfurcht vor den Toten, meine
     ich, die gibt es doch in jedem, sogar in mir – aber diese Bengels träumten nur von Schätzen in den Gräbern und waren manchmal
     drauf und dran, die Platten von den Nischen abzuschrauben, um nach ihren verdammten Schätzen zu suchen. Wenn man mir nachsagt,
     ich hätte mich an den Goldzähnen Verstorbener bereichert – so sage ich denen nach: die hätten sich sogar an den Goldzähnen
     Lebender bereichert. Wenn die Lotte heute sagt, man habe ihr die Kinder aus der Hand genommen, so sage ich, sie hat sie nie
     in der Hand gehabt. Die waren |333| von ihrer verstorbenen Großmutter und ihrem noch lebenden Großvater nur auf eins dressiert: Vorteile zu schinden und Werte
     anzusammeln. Eins habe ich nie getan – was alle anderen taten, Margret, Leni, Lotte und sogar Boris –, ich habe nie meine
     eigenen Kippen gesammelt und schon gar nicht fremde, ich finde das einfach widerlich. Ich habe immer gern Ordnung und Sauberkeit
     gehabt, und jeder wird Ihnen bestätigen, daß ich nachts in der Kälte rausgegangen bin, habe das Eis aufgeschlagen in den großen
     Becken für die Gräberbewässerung – fürs Blumengießen, meine ich –, habe mich gewaschen, von oben bis unten, und wenns eben
     möglich war, habe ich auch in dieser Zeit meinen Morgenlauf gemacht, der dann eben ein Nachtlauf wurde, und das verfluchte
     Kippensammeln habe ich gehaßt. Nun, gegen Ende Februar, kurz bevor wir am Zweiten in der Schnürergasse unseren großen Fischzug
     machen konnten, wurde es ziemlich knapp bei uns – in diesem Sowjetparadies in den Grüften –, wir hatten uns einfach verkalkuliert
     – hatten die Amerikaner eine Woche früher erwartet –, und es wurden eben die Zwiebäcke knapp, auch die Butter und sogar der
     Kaffee-Ersatz und erst recht die Zigaretten; da kamen diese Bengels mit sauber gedrehten Zigaretten, die sie mit der Zigarettenmaschine
     ihrer Mutter gedreht hatten, das Papier hatten sie von der gutmütigen Margret bekommen – und verkauften mir, wie sich später
     herausstellte, meine eigenen Kippen, als frisch gedrehte Zigaretten! Und zehn Mark fanden sie, wäre ein angemessener Preis.
     Die Weiber haben darüber gelacht und den Realismus dieser Bengels gelobt, aber mir liefs eiskalt über den Rükken, als ich
     mit diesen hübschen kleinen Teufeln feilschte. Es ging ja nicht ums Geld, davon hatte ich genug, und ich hätte auch fünfzig
     für eine Zigarette gezahlt – aber das Prinzip! Das Prinzip war falsch. Bei so kleinen Jungen schon die Gewinnsucht komisch
     zu finden und drüber zu |334| lachen! Nur der Boris hat mit dem Kopf

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