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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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auf andere Weise, bereits informiert war. Lenis Mutter, Lenis Vater,
     der junge Architekt, mit dem sie einmal zum Wochenende weggefahren war, ihr Bruder, ihr Vetter, die Toten Seelen, alles, alles
     – und es schien dem Verf., als hörten auch die beiden Enkel nicht mit ungeteilter Aufmerksamkeit zu, auch »gewisse ganz und
     gar legale Transaktionen« – wurden aufgetischt, nicht gerade eindimensionalaggressiv, eher defensivaggressiv, fast im Stil
     von Herrn Hochgestellt; das Grundstück, das Kurt in die Wiege gelegt worden war – hier horchte der Verf. auf –, »hat nun einmal,
     als |414| Frau Gruytens Großvater es 1870 von einem auswandernden Landwirt erwarb, pro Quadratmeter einen Groschen gekostet, und das
     war ein karitativer Preis, er hätte es auch für vier Pfennige bekommen können, aber die mußten ja immer die Großzügigen spielen,
     und weil er ein Verrückter war, hat er auch noch den Preis aufgerundet und anstatt fünftausend Mark zweitausend Taler hingelegt,
     so daß er auf zwölf Pfennig pro Quadratmeter kam. Ist es unsere Schuld, daß heute jeder Quadratmeter dreihundertfünfzig wert
     ist; nähme man gewisse, wie ich glaube, vorübergehende inflationäre Tendenzen wahr – käme man sogar auf fünfhundert, ohne
     den Gebäudewert, den Sie getrost mit dem Grundstückswert gleichsetzen können. Und ich sage Ihnen, selbst wenn Sie morgen einen
     Käufer bringen, der mir fünf Millionen auf den Tisch legt, ich – wir geben es nicht ab, und nun kommen Sie einmal her und
     schauen Sie zum Fenster raus.« Hier benutzte er seinen Krückstock ungeniert als Enterhaken, griff damit in die nur lose zugeknöpfte
     Jacke des Verf., der ohnehin ständig um seine lose sitzenden Knöpfe bangt, und zog ihn nicht ohne Brutalität und – wie gerechterweise
     gesagt werden muß – nicht ohne daß seine Enkel den Kopf geschüttelt hätten, kurzerhand zu sich herüber, so daß der Verf. auch
     die umliegenden Gebäude, die acht-, sieben-, sechsstöckig um das zwölfstöckige Gebäude herum gestaffelt waren, betrachten
     mußte. »Wissen Sie«, dies mit gefährlich leiser Stimme, »wissen Sie, wie dieser Stadtteil heißt?« Kopfschütteln des Verf.,
     der die topographischen Veränderungen nicht alle so genau wahrnimmt. »Dieser Stadtteil heißt Hoyseringen – und er steht auf
     dem Grundstück, das man siebzig Jahre einfach hat brachliegen lassen, bevor mans gnädig diesem jungen Herrn dort« (Krückstock
     auf Kurt geschwenkt, Stimme jetzt höhnisch) »in die Wiege legte, ich, ich, ich habe dafür gesorgt, daß es nicht in seiner
     Wiege liegen blieb, gemäß |415| dem Spruch, der schon unseren Vätern verkündet worden ist: ›Macht euch die Erde untertan.‹«
    An dieser Stelle begann der doch ziemlich alte Herr nun doch gebrechlich zu wirken; obwohl selbst nun unverhohlen aggressiv,
     empfand er den Versuch des Verf., sich von seinem Krückstock-Enterhaken zu befreien, nun seinerseits als Aggression, obwohl
     der Verf. mit nicht geringem Zartgefühl und in Sorge um seine Knöpfe mit großer Zurückhaltung vorging. Hoyser sen. wurde plötzlich
     krebsrot, riß nun tatsächlich den Knopf ab, wobei ein beachtlicher Fetzen brüchig gewordenen Tweeds mit vor die Hunde ging,
     und schwang seinen Stock drohend über des Verf. Kopf. Obwohl der Verf. jederzeit bereit ist, auch die linke Wange hinzuhalten,
     erschien ihm hier Notwehr am Platze, er duckte sich, entwich, es gelang ihm nur mit Mühe, diese peinliche Situation würdig
     durchzustehen. Inzwischen griffen Kurt und Werner beschwichtigend ein, und offenbar durch Druck auf einen unsichtbaren Knopf
     herbeigerufen, trat die blonde, mittelbusige Abfertigungsmaschine in Aktion, die auf unbeschreiblich und unnachahmlich kaltschnäuzige
     Weise den Alten, indem sie ihm etwas ins Ohr flüsterte, aus dem Büro lockte, ein Vorgang, der von den beiden Enkeln im Chor
     mit den Worten kommentiert wurde: »Ja, Trude, Sie sind doch unser bestes Mehrzweckmädel.« Bevor er den Raum (der Verf. riskiert
     den Ausdruck Zimmer in diesem Zusammenhang nicht, es könnte zu Beleidigungsklagen führen) verließ, rief der Alte noch zurück:
     »Hubert, dein Lachen wird dich teuer zu stehen kommen, und wer zuletzt lacht, lacht am besten.«
    Die Herren Werner und Kurt Hoyser schienen durch diesen Vorgang lediglich vom versicherungstechnischen Standpunkt aus berührt.
     Es kam zu einem peinlichen Dreiergespräch über die lädierte Jacke. Ein spontaner Ansatz von Werner, die Jacke

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