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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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können. Darin mag eine sogar traurige Provokation liegen – aber wer des Verf.
     strenge Sachlichkeit bis hierher halbwegs glaubwürdig gefunden hat, der wird ihm auch glauben, was unglaublich klingt: Tatsächlich
     war er in dieser Auseinandersetzung das sachliche, ruhige, höfliche, allerdings auch feste Element, während die beiden Hoysers unsachlich
     wurden, ihre Stimmen waren gereizt, nervös, gekränkt, ihre – gegen Ende dieser peinlichen Szene sogar Kurts – Hände zuckten
     dauernd in jene Richtung, wo man ihre Brieftaschen vermuten konnte – als ob sie dort Jacken herausziehen könnten, zwölf Jahre
     alte geliebte Jacken, die einem lieber sind als die eigene Haut und weniger ersetzlich, denn die Haut ist transplantabel,
     eine Jacke eben nicht; an der man hängt ohne Sentimentalität, lediglich, weil man letzten Endes eben doch Abendländer ist und die lacrimae rerum einem eingebleut worden sind.
    Als provokatorisch wurde auch empfunden, daß der Verf. sich auf den Parkettboden kniete und dort rutschend jenen Stoffetzen
     suchte, mit dem einer seiner Knöpfe herausgerissen worden war; dabei würde er ihn doch brauchen, wenn er zur Kunststopferin
     ging. Daß er schließlich dann auf jede Wiedergutmachung verzichtete, anbot, die Jacke auf seine Kosten kunststopfen zu lassen,
     indem er andeutete, daß ihm dies vielleicht auf dem Umweg über Geschäftsunkosten möglich sei, denn schließlich |419| übe er hier seinen Beruf aus, wurde auch das als Beleidigung empfunden; man lasse sich nicht lumpen usw. Oh, welche Kette
     von Mißverständnissen! Kann man einem denn nicht glauben, daß man nur seine Jacke wiederhaben möchte, nichts weiter als seine
     Jacke? Muß man da gleich des fetischistischen Sentimentalismus verdächtigt werden? Und gibt es nicht schließlich eine höhere
     Ökonomie, die es verbieten sollte, eine Jacke, die geflickt, kunstgestopft durchaus noch verwendbar ist und ihrem Träger Freude
     macht, einfach wegzuwerfen, nur, weil man eine dicke Brieftasche hat und keinen Ärger haben will?
     
    Schließlich, nach diesem ärgerlichen Zwischenspiel, das die anfängliche Harmonie erheblich gestört hatte, kam man zur Sache:
     zu den drei Aktenordnern, die offenbar Lenis Dossier darstellten. Es muß hier wieder zusammengefaßt werden, was da alles ausgepackt
     wurde von »Tante Lenis Schlamperei«, Tante Lenis unrealistischer Verhaltensweise, Tante Lenis Erziehungsfehlern, Tante Lenis
     Gesellschaft – »und damit Sie nicht meinen, wir wären prüde, rückständig oder nicht fortschrittlich, es geht hier nicht um
     Liebhaber, nicht einmal um Türken, Italiener oder Griechen – es geht darum, daß das Grundstück um nahezu 65 % unterrentabel
     ist; allein der Verkaufserlös könnte, geschickt angelegt, eine jährliche Rendite von vierzig- bis fünfzigtausend Mark ergeben,
     wahrscheinlich mehr, aber wir wollen hier fairerweise mit der unteren Grenze argumentieren – und was bringt das Haus? Zieht
     man Reparaturen ab, zieht man Verwaltungskosten ab und die Folgen der asozialen Belegschaft im Erdgeschoß, wo Tante Leni wohnt
     und bessere Mieter geradezu abschreckt – womit sie den Mietpreis verdirbt –, was bringt das Haus? Keine fünfzehn, knapp dreizehn,
     vierzehn.« So Werner Hoyser.
    |420| Und fortfahrend Kurt Hoyser (Zusammenfassung, durch die Notizen des Verf. verifizierbar), es gehe nicht gegen ausländische
     Arbeiter, man hege keine Rassenvorurteile, nur müsse man konsequent sein, und wenn Tante Leni sich bereit erkläre, marktgerechte
     Mieten zu nehmen , ließe sich sogar darüber reden, ob man nicht das ganze Haus für ausländische Arbeiter freigebe, es bettenweise, zimmerweise
     vermiete, Tante Leni zur Verwalterin bestimme und ihr sogar freie Wohnung und eine monatliche Bargeldentschädigung gewähre;
     doch sie nehme ja – was nun tatsächlich Wahnsinn sei und sogar Erkenntnissen der sozialistischen ökonomischen Lehre widerspreche
     –, sie nehme ja als Miete genausoviel, wie sie selbst zahle; nur um ihretwillen habe man noch den Quadratmeterpreis auf 2,50
     gehalten und nicht, damit andere davon profitierten; so zahle die portugiesische Familie für 50 Quadratmeter 125,– DM, zusätzlich
     13,– DM für Bad und Küchenbenutzung, die 3 Türken (»Von denen der eine ja nun dauernd bei ihr pennt, so daß eigentlich nur
     zwei das Zimmer bewohnen.«) für fünfunddreißig Quadratmeter 87,50 DM, die beiden Helzens wiederum für 50 qm 125,– DM, plus
     jeweils

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